Vogtei Mahanel
Gründung und Geschichte
Lanera - dieser Name gebietet Ehrfurcht bei jedem Ogeden in Heligonia. Die furchtlose Kämpferin Saarkas ist die Schutzpatronin der Kriegerinnen und Krieger. Die Gläubigen erbitten ihren Schutz, bevor sie in einen Krieg ziehen und hoffen, sie möge ihnen siegreich zur Seite stehen. Die Göttin Saarka selbst soll sie in der Kampfeskunst unterrichtet haben und Lanera hat ihr zu Ehren ihr Schwert geführt. Doch als die tapfere Lanera im Kampf gegen die Ödländer schwer verwundet wurde gab ihr die Göttin ihre eigentlich Aufgabe. Saarka schickte Lanera in die Baronie Anthan und zeigte ihr einen Fels, auf dem sie mit ihren verbliebenen Getreuen eine Burg mit Namen Mahanel bauen soll. Hier gründete sie eine Krieger-Akademie für Frauen, die ihr Leben der Göttin und dem Kampf gewidmet haben.
Fremde jedoch haben selten Gelegenheit diese Burg zu betreten. Die Saarka-Geweihten führen dort ein abgeschiedenes Dasein und so ist wenig über das Leben in Mahanel bekannt. Nur wenn der König die Kriegerinnen für eine wichtige Schlacht anfordert, verlassen die Saarka-Kriegerinnen ihre Burg. So ereignete es sich, dass viele Jahre nach Laneras Tod die Herzogtümer Ostarien und Ligonii Krieg hatten. Der Sieg war Ostarien bereits sicher, als ein Banner Saarka-Kriegerinnen das Schlachtfeld stürmte. Viele Augenzeugen berichteten, dass es Lanera selbst war, die auf einem schwarzen Ross ihre Streiterinnen anführte und durch ihre geschickte Schwertführung die Ostarier zurückdrängen konnte. Doch nach der Schlacht konnte keiner Lanera finden, weder unter den Lebenden, noch unter den Toten. Da wussten die Menschen, dass sie von Saarka geschickt wurde, um einen göttergefälligen Ausgang des Krieges herbeizuführen. In der darauffolgenden Zeit halfen die Saarka-Kriegerinnen das Fürstentum Thal gegen den Tyrannen Aroben zu verteidigen. Auch an wichtigen Turnieren stellen die Streiterinnen ihre Kampftüchtigkeit unter Beweis und überall werden sie wegen ihrer Schönheit und Stärke bewundert.
Seit ungefähr 50 v.A.III haben sie jedoch einen Feind, den sie nicht im Schlachtfeld besiegen können - die Ceriden. Anfangs standen die Saarkani der neuen Religion nur skeptisch gegenüber, doch im Laufe der Zeit mehrten sich die Übergriffe auf ihre praktizierenden Schwestern, so dass dies ihren Zorn schürte. Da es nicht ihr Wille ist, sich in die große Politik einzumischen, ziehen sie in kleinen Gruppen aus und helfen immer dort, wo eine Saarkani in Not geraten ist. Besonders seit Gründung der Inquisition der ceridischen Kirche haben es die Saarkani in den ceridischen Landesteilen sehr schwer. Die wenigen, verbliebenen müssen immer um ihr Leben fürchten, denn selbstbewusste und eigenständige Frauen sind der männerfreundlichen Religion ein Dorn im Auge.
Über das Leben auf der Burg Mahanel
„Was soll ich über die Frauen berichten, die ich meine Schwestern nenne. Sie sind zwar nicht wie ich und streichen tagelang über die Wiesen und Heiden, nur um ein paar Kräuter zu finden. Auch verbringen sie nicht die Nächte über alten Rezeptbüchern, um Neues zu erfahren über die Geheimnisse, die meinesgleichen seit Generationen niederschreiben. Am besten fange ich damit an zu erzählen, als ich sie das erste Mal besuchte. Ich war noch sehr jung und das erste Jahr bei meiner Lehrmeisterin Belisha. Zwar wußte ich vom Lanera-Orden, doch reichte meine Vorstellungskraft damals nicht aus, um mir ein Bild von deren Leben zu machen. Als die Tage kürzer wurden und die Jahreszeit der Göttin sich einstellte, teilte mir Belisha mit, dass wir zur Burg Mahanel reisen werden. Viele Tage lang zogen wir nach Süden, überquerten den Brazach und wanderten auf verschlungenen Pfaden durch schier endlose, dichte Wälder. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht. Es war ein wolkenverhangener Tag und dicke Dunstschleier lagen in den Tälern, so dass das Antlitz Helios’ kaum die Wolken zu durchdringen schien. Da lag sie vor uns, mächtig auf einem Felsen thronend - die Burg Mahanel. Aufgeregt durchschritten wir die mit Monden verzierten, schweren Holztore und betraten den Burghof. Überall herrschte reges Leben. Frauen, die sich im Schwertkampf übten, mit Pfeil und Bogen auf Zielscheiben schossen und solche, die ihre Fähigkeiten im waffenlosen Kampf maßen. Ihre schönen, durchtrainierten Körper wurden von den kurzen und engen Gewändern noch betont. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und bemerkte nicht, wie eine Frau auf uns zu kam. Erst als Belisha mich ihr vorstellte, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Vor uns stand Isidera, die Vorgängerin der heutigen Vogtin Maline, eine stolze, hochgewachsene Frau mit langen, weißen Haaren, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch sehr schön war. Nach einer herzlichen Umarmung begleiteten wir sie in die Empfangshalle der Burg. Ich war fasziniert von dem wunderschön geknüpften Teppich, der die Wand ziert. Er zeigt die mutige Lanera in der Schlacht gegen die Monster. Die Hallendecke ziert ein steinernes Relief des Gottes Helios und überall an den Wänden und den Säulen sind die Symbole der Götter eingearbeitet. Isidera wies uns einen Platz zu und begann mit Belisha Neuigkeiten auszutauschen. Die Vogtin zeigt sich sehr interessiert an den politischen Dingen, die in Heligonia vorgehen, doch erst jetzt erfuhr ich vom eigentlichen Zweck unseres Besuches. Einige junge Frauen wünschten sich ein Kind und wollten meine Lehrmeisterin um Rat fragen, wann die Zeit am günstigsten ist, eine Tochter zu empfangen. Belisha zog sich mit sechs Frauen in einen Raum zurück, um dort in Ruhe mit ihnen zu sprechen. Dies, sowie die anschließenden Untersuchungen und Gebete waren damals für meinen Ausbildungsstand noch zu schwierig und so wurde ich von einer anderen Saarkani in das Badehaus geführt, um mir dort die Zeit zu vertreiben. Das Badehaus lag in einem abgelegeneren Teil der Burg und schon beim näher kommen sah ich, wie Dampf aus den Fenstern kroch. Beim Öffnen der Tür schlug uns eine feuchte Hitze entgegen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich durch die Dampfschwaden im Raum zurechtfand. Meine Begleiterin streifte mir die Kleider ab, die unter der langen Reise auch ziemlich gelitten hatten. Zuerst stieg ich in einen hölzernen Zuber, der zur Vorreinigung des Körpers dient. Dann gesellte ich mich zu den anderen Frauen in ein, in den Boden eingelassenes Becken. Das warme Wasser tat mir gut nach all den Tagen in der feuchten Kälte des Waldes. Wir plauderten und ich wurde nicht müde die Saarka-Kriegerinnen über ihr Leben hier in der Burg auszufragen. Sie wussten von dem Zweck unseres Besuches und freuten sich, dass einige von ihnen bald wieder Kinder haben werden. Eine meiner Gesprächspartnerinnen, die Weibelin Ysira, erzählte mir stolz, dass sie bereits vier Töchtern geboren hat. Alle leben auf Burg Mahanel und werden, wie alle Töchter der Saarkani, in den Kriegskünsten ausgebildet. Besonders betonte sie, dass jede Frau hier lesen, schreiben und rechnen kann. Dies wird allen Mädchen schon im jüngsten Alter beigebracht. Später werden sie dann je nach ihren Neigungen erzogen. Sie verschwieg auch nicht, dass nicht alle Mädchen nach ihrer Kindheit im Orden bleiben. Viele finden einen Mann, mit dem sie das weitere Leben teilen möchten. So auch Dulnja, die mir den Rücken mit einer Bürste massierte. Sie berichtete mir, dass auch sie eines Tages den Wunsch verspürte ein Kind zu haben. Sie traf die notwendigen Vorbereitungen und wollte nach Guldenstein ziehen, um dort nach einem Partner zu suchen. Doch auf dem Wege dort hin traf sie auf eine Srenghewar-Sippe und lernte Pagna kennen, den Vater ihrer Tochter. Sie verliebte sich in ihn konnte sich nicht mehr von ihm trennen. Deshalb zog sie mit ihm fast drei Jahre lang durch Heligonia. Trotz der Liebe zu ihm übermannte sie das Heimweh immer stärker und schließlich kehrte sie nach Mahanel zurück. Auf meine Frage hin, ob es denn niemals männliche Nachkommen gibt, lachten die Frauen und gestanden, dass dies zwar seltener der Fall ist, aber dennoch vor kommt. Sie werden wie die Mädchen erzogen, doch können sie innerhalb der Saarka-Kriegerinnen-Gesellschaft keine leitende Position erlangen. Entweder verlassen sie die Burg nach der Geschlechtsreife, oder sie ordnen sich unter und erledigen die täglich anfallenden Arbeiten. Ich brannte natürlich darauf den Grund dafür zu erfahren und lauschte gespannt der Geschichte vom Hochgeweihten Ezorael, der in den Jahren 378 bis 370 v.A.III den Orden leitete. Damals lebten sowohl Männer als auch Frauen gleichberechtigt auf Mahanel. Ezorael war ein sehr ehrgeiziger und fähiger Mann, doch als er es geschafft hatte die Leitung des Ordens zu übernehmen, zeigte er sein wahres Gesicht. Ihm waren die Fähigkeiten, die die Göttin ihren Geweihten schenkt nicht genug. Er studierte alte Bücher und lernte Sprüche, die ihm Macht und Stärke geben sollen. Mit einem Zirkel ausgewählter Saarka-Krieger tyrannisierte er die anderen Geweihten. Die Frauen durften die Burg nicht mehr verlassen, um sich einen Geliebten zu erwählen, sondern wurden gezwungen ihre Kinder von ihm zu empfangen. Die Saarkani wendeten sich im Gebet an die Göttin und baten sie, ihrem Martyrium ein Ende zu bereiten. Eines morgens fand man Ezorael und seine Getreuen mit weit aufgerissenen Augen und schwarzen Lippen tot in ihren Betten. Seit dieser Zeit ist es Männern nicht mehr erlaubt eine leitende Position im Orden einzunehmen.
Ja, es gibt noch so viel zu berichten, denn in den folgenden Jahren war ich noch oft zu Besuch auf Burg Mahanel, doch keiner dieser Besuche war so beeindruckend für mich wie der erste. War haben in den darauf folgenden Jahren zusammen die Helios-Wende gefeiert und die Monde der Saarka begrüßt. Schon so manchem Kind durfte ich auf Mahanel helfen, das Licht Helios zu erblicken. Ich habe so manches Geheimnis mit einer meiner Schwestern geteilt und viele Freundschaften geschlossen. Jedes Mal verlasse ich sie schweren Herzens, jedoch mit der Gewissheit, dass ich bald wiederkehren werde.“
-Saleena, Hochgeweihte der Saarka