Die Geschichte des gelben Dschinnen
Wahrlich, es gibt viele Gründe auf dieser Welt, um Krieg zu führen. Dukaten, Land und Macht zählen zu jenem, dass oft schon des Blutvergießens erster Funke war. Auch die Liebe, obgleich doch sanft und schmeichelnd in ihrer Natur hat schon so manchem das Schwert in die Hand gelegt. So erging es auch dem Sultan Malik, der seines Zeichens Herrscher über ein kleines Ländlein war. Jenem Malik war die Ehe mit Intisar, Tochter des Schahs Imran, versprochen. Intisar war huldvoll im Benehmen, klug im Geistes, dem Auge lieblich und also wahrlich ein Kleinod. So mag es nicht verwundern, dass Maliks Herz ihr von der ersten Begegnung an geschenkt war. Darüberhinaus wär auch das Erbe des Schah nicht zu verachten gewesen, hätte wohl Malik zu wunderbarem Reichtum und Macht verholfen. Nun, „wär“ ist der rechte Ausdruck, denn es kam wohl anders, als sich der Sultan geträumt, der Leser aber wohl gedacht hat. Aus fernen Landen hatte der Schah Imran Besuch bekommen, einer, der bereits große Macht und so manchen Sack Aurazith von seinem Vater geerbt hatte. Gegen jenen musste Malik wohl wie ein armer Bettler erscheinen. Imran entschied also, Intisar nicht in die Hände des Bettlers zu geben, als vielmehr in die des fremden Edelmannes. Sultan Malik protestierte, erhob Einspruch und sodann die Waffen, denn weder sein Wort, geschweige denn er selbst wurden mehr zu Imran vorgelassen. So sammelte Malik seine Getreuen um sich und zog wider den, der ihn fast schon Sohn genannt hatte. Sowohl der Sultan, als auch die tapfren Mitstreiter wußten wohl, dass ihrem Unternehmen kaum Glück beschieden sein konnte. Dennoch zogen sie vor die mächtigen Mauern von Imrans Festung. „Verschwindet, sucht das Weite, solange ihr noch könnt!“ riefen Imrans Soldaten ihnen zu. Malik gedachte nicht, diesem Befehl nachzukommen und trotzte den Worten und auch so mancher Abwehr, die Imran ihnen entgegen sandte. Ein Sieg aber, so wußte Malik, konnte ihnen kaum gelingen. Nicht mit dem Schwert allein, nicht durch die bloße Kraft ihrer Arme und Beine. Nur durch die Kraft des hellen Geistes. Malik ersann eine List. In der Nacht lies er die Ziegen schlachten, die er als Proviant hatte mitführen lassen. Doch er wollte nicht das Fleisch, sondern vielmehr das Blut, mit dem er sich über und über beschmierte. Dann rief er seinen getreusten Soldaten herbei und befahl ihm, zu Imran zu gehen, mit einem Schwert voller Blut und ihm mitzuteilen, dass er, der einst treue Diener, seinen Herrn Malik erschlagen habe, um Imran, dem Mächtigen zu gefallen. Alle anderen aber sollten sich im Gewässer einer nahe Oase verbergen, um im rechten Augenblick loszuschlagen. Malik selbst warf sich sodann zu Boden und harrte des Schicksals.
Es vergingen Jahre, so jedenfalls kam es Malik vor. Dann hörte er eilige Schritte und Stimmen, unter ihnen vernehmlich auch Imrans, der es sich wohl nicht nehmen lassen wollte, den frechen und glücklosen Herausforderer tot zu sehen. Imran trat ganz nah an ihn heran und flüsterte mehr zu sich als zu dem vermeintlich toten: „So hätte es nicht enden müssen, Malik!“. „Nein, das hätte es nicht, Imran!“ erwiederte Malik und stieß dem Schah die Klinge bis zum Heft durch die Brust. Auf dieses Zeichen tauchten die Getreuen aus den Wassern und fegten durch die überraschten und nunmehr führerlosen Heerscharen Imrans. Wie ein Strum kamen sie über die Opfer, die Imrans Soldaten nun waren. Sie hieben und stachen, schlugen und schnitten, entzweiten, zermalmten, bis keiner mehr stand. Dann erhob sich Malik und schritt duch die Tore, die ihn zurück zu Intisar führten.