Die Geschichte des weißen Dschinnen

Aus HeliWiki
Version vom 14. Februar 2025, 23:07 Uhr von Jantiff (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „Es war einst ein Dieb mit Namen Mikail, der verirrte sich in der Wüste. Wohin er auch ging, wohin er sich auch wandte, immer nur erstreckte sich Sand bis zum Horizont. Er setzte einen Fuß vor den anderen, tat Schritt um Schritt, bis seine Kräfte ihn aufgaben. Dann sank er zu Boden in einen tiefen Schlaf. „Mikail! Mikail!“ hörte er irgendwann eine weiblich Stimme rufen. „Wach auf!“ Mit einem Ruck war er wach und schaute sich um. Nirgends aber…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Es war einst ein Dieb mit Namen Mikail, der verirrte sich in der Wüste. Wohin er auch ging, wohin er sich auch wandte, immer nur erstreckte sich Sand bis zum Horizont. Er setzte einen Fuß vor den anderen, tat Schritt um Schritt, bis seine Kräfte ihn aufgaben. Dann sank er zu Boden in einen tiefen Schlaf.

„Mikail! Mikail!“ hörte er irgendwann eine weiblich Stimme rufen. „Wach auf!“ Mit einem Ruck war er wach und schaute sich um. Nirgends aber sah er die Ruferin, konnte sie wohl aber deutlich vernehmen. „Komm hier lang, ich weise Dir den Weg!“ rief sie ihm zu und er folgte ihr. Dann erwachte er erneut. Dieses Mal fand er sich vor den Zelten einer Siedlung wieder, Zardasia, flüsterte ihm sein Gedächtnis zu. Voller Freude stellte er fest, dass die Siedlung am Ufer eines kleinen Sees errichtet worden war. Doch dem nicht genug! Die Bewohner waren dabei, ein Fest auszurichten. Er sah sich ein wenig um, ruhte eine Weile aus und lauschte den hektischen Worten der Menschen dort. Drei Sippen waren es, die am See lebten: die Rhagib, die Nazeer und die Hafiza. Zu welcher wohl seine Ruferin gehörte? Er musste es wissen, er musste sie finden und das Gesicht der Stimme erblicken. Zwar kannte keiner die Dame, die er beschrieb, zumal er auch nur wenig über sie berichten konnte. Einer der Menschen aber wies ihm einen Weg, der ihn zu einem Zelt führte. Es war behütet von zwei Wachen, doch keine, die ihn aufzuhalten vermochten. Er schlüpfte hinein und fand dort drinnen eine Sammlung von sieben Geschichten. Das größte Wunder aber waren die Bilder auf dem Papier, die die Geschichten illustrierten und immer wieder die gleiche Dame zeigten. Das war sie. Mikail war sich sicher, er erkannte sie wieder. Schnell nahm er die Sammlung an sich und eilte aus dem Zelt. Doch da spielte ihm das Schicksal übel mit. Er stolperte, wohl waren seine Sinne noch benebelt von der Schönheit der Dame und lies die Blätter fallen. Um nicht von den finster drein schauenden Männern gefasst zu werden, gab er Fersengeld. Mikail konnte gerade noch erkennen, wie ein paar Gestalten aus Verstecken sprangen und sich wie Krähen auf die Geschichten stürzten. Was bestimmt war zu geschehen, war nun eingetreten. Eine jede der Geschichte nämlich war ein Gefängnis, eine Armee von Worten, die sieben Dschinnen bewachten und mit langen Sätzen fesselten. Die Kerker aus Buchstaben hatte Mikail nunmehr ins Wogen gebracht. Einer nach dem anderen erwachten die Dschinnen aus ihrem Schlaf und bewegten die Geschichten, die so lebendig wurden. Sie fuhren in die Rhagib, die Nazeer, die Hafiza und in so manchen, der an diesem Orte weilte. Eine seltsame Verwandlung ging mit ihnen vor sich, als seien sie nurmehr Schauspieler in einem großen Theater, das dem geneigten Zuschauer die Geschichte des grauen Prinzen erzählen will. Jenes nämlich war es, was der Dschinnen Aufgabe war. Der graue Prinz, verdammt, sich selbst zu suchen und doch nicht zu finden, sollte seine Geschichte erfahren, gesprochen durch die Diener, erzählt aber von jener Frau, derentwegen der Prinz sich gegen die Götter gewandt hatte und darob verloren gewesen war. Mikail erinnerte sich an jene Geschichte und erkannte, dass es ihm bestimmt war, die Erlösung oder das Verderben zu bringen. Denn einer nach der anderen der sieben Geschichten wurde ihm zugetragen, die Geschichte des schwarzen, des gelben, des grünen, des roten, des blauen und des sandelfarbenen Dschinnen. Er tat all dies nicht allein, gleichwie das Schicksal kein Faden sondern ein Gewebe ist. Tapfere Streiter und helfende Hände, scharfe Augen und wissende Geister sahen die sechs Geschichten, lauschen den befreiten Dschinnen und hielten schließlich die siebte in den Händen. Ihre Augen wanderten von Wort zu Wort, ihre Lippen formten Satz um Satz und nunmehr wurde ihnen gewahr, dass jenes, das der weiße Dschinn ihnen erzählt hätte, etwas ist, was sie bereits schon kennen: ihre eigene Geschichte und jene des Erwachens des grauen Prinzen, jene die, wenn sie dem seit Jahrhunderten gefangenen erzählt wird, das Leid beendet. Im Geiste der Erzähler schon vollendet, obgleich nicht jeder dies wohl schon weiß, ist der Prinz nun fast schon erlöst, fast schon sieht er die Silhouette seiner Dame, nur die letzten, abschließenden Worte der Geschichte fehlen noch. Und mit ihnen kommt die Freiheit, das Erkennen, die Erlösung.