Spezial:Badtitle/NS100:Ausgabe 24/ Fürstlicher Thaler Hofchronist

Aus HeliWiki
Version vom 4. Februar 2008, 23:24 Uhr von DerWissende (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Schmuggler in Sethnara gefaßt!

In den frühen Morgenstunden des 5. Tages des 2. Xurl gelang der Stadtgarde in Sethnara ein großer Schlag gegen die Schmuggler, die schon lange in Unwesen in der Provinz und den angrenzenden Gebieten treiben. Mit der Hilfe einer Sondereinheit der Thaler Garde, der "Schmugglerwehr" wurde schon vor vielen Monaten ein weitläufige Informationsnsetz aufgebaut, dessen Erfolg sich nun zeigte.

Die Schmuggler wurden auf frischer Tat gestellt, als sie sich mit ihren Boten auf dem Lewarach Richtung Darian fliehen wollten. Die verhafteten Personen wurden sofort nach Hochanthen gebracht, wo sie sich vor einem Gericht für ihre Taten zu verantworten haben. Bei den geschmuggelten Gegenständen handelt es sich hauptsächlich um Kunstschätze, wie Gemälde, Statuen und wertvolle Schnitzereien.

Bei einer genaueren Untersuchung wurde eine Sensation entdeckt: Einige der sichergestellten Wertsachen stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem berühmten und vor langer Zeit verschwundenen Bernsteizimmer. Die Gegenstände werden ebenfalls zur genaueren Untersuchung an den Hof von Thal gebracht. Dort soll geklärt werden, woher sie stammen. Vielleicht sind sie ein erster Hinweis darauf, daß das Bernsteinzimmer doch nicht für immer verloren ist. Trotz der noch offenen Fragen ist die "Schmugglerwehr" wie auch die Stadtgarde von Sethnara zufrieden mit ihrer Arbeit.

Roxana von Beraht, Freifrau von Hochwalden lobte den erfolgreichen Einsatz und versprach, die Truppe auch weiterhin mit allen Mitteln zu unterstützen und weiterhin hart gegen Schmuggler in der Provinz vorzugehen. Thorkell Garin, Berichterstatter der Stadtwache von Sethnara

Hochverehrtes Fürstenpaar, Euer Durchlaucht Fürst Bartha von Thal Euer Durchlaucht Fürstin Genovefa von Thal,

(Anm.d.Red.: Titel wurden korrekt ergänzt)

Mein Name ist Dorneth und ich bin mit Leib und Seele seit langen Jahren Priester. Weder das Ogedentum, noch das Ceridentum ist mir sonderlich bekannt, denn in unserer Gegend, die nicht einmal eine gemeinsam Grenze zu dem Lande Heligonia hat, gehören wir einem anderen Gotte als ihr den Euren. Dies alles zu erklären, hieße die große Schriftrolle Ranra zu zitieren, doch würde dies diesen Rahmen sprengen. Ich bin ein einfacher Mensch doch des Schreibens und Lesens mächtig. Zu meinen Aufgaben gehören Tätigkeiten, die zu guten und schönen, aber auch zu traurigen und schmerzlichen Tagen in meinem Leben führen. Jedoch danke ich meinem Gotte für jeden Tag und das heißt, auch die schmerzlichen Tage lieben und mit aller Kraft leben. Zu welchen Tagen die folgenden gehörten, mögt ihr selbst entscheiden.

Zu einer meiner ständigen Aufgaben gehört auch die seelische Betreuung der Gefangenen in der Burg unseres gefürchteten Herrschers, besonders in dem Trakt, den der Volksmund gemeinhin als "kalte Gruft" oder einfach nur den "Todestrakt" nennt. Hier wird das übelste Gesindel, dafür hält sie zumindest der größte Teil der Leute, eingesperrt. Aus diesen Zellen kommt man ohne großen Prozeß nur durch eine einzige Tür wieder hinaus. Durch diese kleine, eichene, eisenbeschlagene Tür am Ende des Zellenganges kommt man zu einer nach oben führenden Wendeltreppe, die in das Wachhaus mündet und von dort direkt auf den Marktplatz geht, wo dann das Schafott bereits wartet. Ich habe irgendwann aufgehört, zu zählen, wie viele ich schon auf diesem letzten Weg begleitet habe.

Doch bei einem dieser Besuche in den Zellen, traf ich auf jemanden der so ganz andersartig war. Nicht seines Äußern, sondern seiner Art und Gedanken wegen unterschied er sich von den anderen Gefangenen. Er war ein großer, kräftiger, zotteliger Kerl, mit langem verfilzten Haaren, die notdürftig zu Zöpfen geflochten waren. Bitte denkt Euch nichts dabei, aber dort unten sieht nach kurzer Zeit jeder erbarmungswürdig aus. Denn sonst niemand kümmert sich um diese armen Kreaturen. Von der Verpflegung möchte ich erst gar nicht zu sprechen wagen. An die drei Monde soll dieser Kerl schon hier eingekerkert sein, versicherten die anderen Gefangenen mir, die mich erst auf ihn aufmerksam machten. In dieser Zeit war ich bestimmt schon ein gutes halbes Dutzend mal dort gewesen. Sein Mitgefangener Simon war mir schon eher bekannt gewesen. Zuerst schien der Vergessene nur sehr schüchtern, doch bald merkte ich, daß er etwas zu verbergen hatte. Von anderen Gefangenen erfuhr ich, daß er unter ihnen Fragen über mich stellte, ob ich vielleicht ein Spion sei, um doch noch etwas mehr über einen Gefangenen zu erfahren, als man mit der Folter aus ihm herauspressen konnte. So bemühte ich mich um sein Vertrauen. Anfänglich wies er mich schroff ab. Doch mit der Zeit wurde sein Umgang, ich möchte fast sagen höflicher, so dachte ich zumindest damals. Heute ist mir sein zunächst abweisendes Verhalten verständlich.

Langsam begann er sich zu öffnen, sein Innerstes einen Spalt breit aufzutun. Wir führten viele Gespräche und meine Aufenthalte dort im Kerker wurden häufiger als je zuvor. Es waren tiefschürfende Argumentationen über Glaube und Philosophie, und die vielen Dinge des Lebens, die es bedeutend für uns machen. Wenigstens vom blauen Himmel zu sprechen ist bereits ein Lichtblick für einen Gefangenen in einem Loch vierzig Fuß unter der Erde. In diesen Gesprächen öffnete sich nicht nur seine Seele, sondern auch meine Seele blühte auf. Es war eine tiefe, aufrichtige Ehrlichkeit in jedem von unseren Worten, und dies war es wahrscheinlich auch, warum er mir dann alles enthüllte - alles, was er mühsam hinter einer kargen Felswand vorgetäuschter kalter Gemütshaltung verbarg. Sein richtiger Name ist nicht Guthwulf, den er hier im Kerker benutzte, sondern Anselm von Thal, und er kommt aus dem fernen Lande Heligonia. Er erzählte mir von seiner Queste, die er blind so Hals über Kopf begann, als er von der Entführung seiner Verlobten erfuhr, von der langen Reise und all den seltsamen Ereignissen, die Simon und er erlebt hatten.

Eines Tages bat er mich ein wenig Papyr, Dinte und einen Federkiel mitzubringen. Ich hatte keine Ahnung was er genau damit vorhatte, außer vielleicht ein paar Kritzeleien, aber ich suchte alles in kleinstem Formate zusammen, ein Minidintenfässchen und eine kleine Daunenfeder, und schmuggelte alles an den schlafenden Wachen vorbei. Was er damit machte, war mir unbekannt, aber ich vertraute ihm und brachte immer wieder Papyr und Dinte mit.

Ich erfuhr erst am folgenden Tage, den ich euch nun schildern will, was mit diesen Sachen geschehen war. Es mochte eineinhalb Monde seit unserer ersten Begegnung vergangen sein. Als ich den Korridor des Kerkers betrat, herrschte dort ein heilloses Stimmengewirr und Durcheinander. Erst nach einigem Nachfragen konnte ich mir zusammenreimen, was hier vorging. Ich hatte von den Leuten draußen auf dem Markte schon von den Gerüchten über ein kleines Grenzscharmützel gehört. Es hieß, daß Wilderer von der anderen Seite der Grenze einiges an Reh und Hirsch getötet hätten. Unter der Hand sagte man aber, sie hätten Kettenhemden und Waffenröcke getragen. Mehr als ungewöhnlich für einfache Wilddiebe. Offenbar war unser Herrscher mehr als nur sehr ungehalten darüber, was dort geschehen war, aber offiziell, so hörte man, habe man sich mit dem Nachbarreiche geeinigt und Reparationen erhalten.

Verzeiht mir, wenn ich hier nicht schreibe, welcher Herrscher uns regiert und welche Länder hier aneinander gerieten, aber Anselm möchte seinen "Aufenthalt" niemandem preisgeben. Auch weiß ich nicht, in welche Hände dieser Brief auf seiner Reise nach Thal gerät. Vielleicht in die Hände eines Schreiberlings dieses Helios-Boten, von dem Anselm erzählte. Und wenn dann von diesem Blatte mein Brief abgedruckt würde, könnten die Entführer der Baronin Rückschlüsse ziehen.

Die Aufregung im Kerker rührte von der Bekanntgabe des Herolds her, der eben den Kerker wieder verließ, als ich eintrat. Von dem Herolde sei bekanntgegeben worden, daß man sich Freiwillig als Soldat melden könne. Man solle sich bei den Wachen melden und Morgen früh werde man abgeholt.

Ich ging zur Zelle Anselms und Simons. Keiner sprach ein Wort, als ich hineinging. Sie hatte ihre Entscheidung schon getroffen. Ein Blick der beiden hatte wohl genügt, um sich zu verständigen und auch ich verstand sofort. Sie würden sich melden. Ich versuchte, sie umzustimmen, sie sollten noch warten, ich sagte ich sei nah dran, herauszufinden, was denn nun gegen sie vorläge, dann könnte man noch versuchen, um Gnade zu bitten. Ich selbst wußte am Besten, was für eine schwache Hoffnung das war, aber es war die einzige, die mir zu Gebote stand. Sie umzustimmen würde schwierig werden, dessen war ich mir bewußt, vor allem mit diesem doch eher schwachen Hoffnungsschimmer. Anselm schien mir gar nicht zuzuhören. Nachdem ich geendet, drehte er sich langsam zu mir. Noch nie sah ich solches in den Augen eines Menschen. Verzweiflung und doch unbändigen Lebenswillen, vernichtetes Vertrauen und doch Stolz, hin und her gerissen zwischen Leben und Tod. Wie in Trance vernahm ich die folgenden Worte von ihm. Mit unendlicher Trägheit lief die ganze Szene vor mir ab. "Wir wissen jetzt, warum wir hier festgehalten werden", begann Anselm. "Simon und ich sollen das Gehöft niedergebrannt und die Familie aus reiner Lust an der Grausamkeit ermordet haben. Kaltblütigkeit wirft man uns vor, daß wir die Leichen begruben und ihnen Gräber errichteten, soll reines Alibi gewesen sein. Noch schlimmer, in einem diabolischen Ritual sollen wir die Seelen der Kinder dem Einen verkauft haben, um uns von unseren eigenen Sünden freizukaufen. Nicht ein Wort, nicht eine Geste, nicht ein Nicken und nicht ein Abwenden unseres Hauptes gewährte man uns. Wir waren dazu verdammt, teilnahmslos zuzuhören, wie über unser Leben entschieden wurde, als sei es der Prozeß eines anderen. Man ließ uns keine Möglichkeit auch nur anzudeuten, wie löcherig, lächerlich und falsch ihre Anklage gegen uns war."

"So werdet ihr also dies Angebot annehmen, als Grenzsoldat gegen die Anderen zu kämpfen?", brachte ich mit zitternder Stimme hervor.

"Ja. Besser, dort zu kämpfen und für die Liebe zu sterben, als unter dem Hohn und Spott eines blutlüsternen Pöbels in der Fremde hingerichtet zu werden."

"Aber was unser Herrscher vorhat, ist ein Himmelfahrtskommando. Wenn es zu einer größeren Konfrontation kommen sollte, wird man euch und euresgleichen in die vorderste Front stellen. Keiner wird lebend zurückkommen." So drang ich auf ihn ein, um ihn von diesem Vorhaben abzubringen.

Doch Anselm sah mir fest in die Augen, entschlossen zu gehen. "Ich folge der Liebe meines Lebens, die mir von Schändlichen geraubt wurde. Ich glaubte, ich allein könne ihrer Spur folgen, indem ich unerkannt bis zuletzt mich auf die Fährte der Entführer heftete. Trotz aller Anstrengungen, die ich unternommen habe, ist meine Kraft zu gering, die Liebste den ruchlosen Klauen dieser Bastarde zu entwinden. Im Vertrauen auf die Götter, die mit Sicherheit nicht für mich, so doch für das höchste Gut, die Liebe zweier Menschen zueinander, sonst heftig stritten und kämpften, unternahmen diesmal nichts. So hoffte ich auf ihre Unterstützung meiner schwachen Kräfte. Doch hat es nun den Anschein, als ob die Götter uns verließen und die Liebe nichts mehr würdig ist. Es scheint, als hätten sie sich abgewendet von uns Menschen. Wenn sie nicht einmal mehr dafür bereit sind, sich einzusetzen, für was dann? Wenn schon die Götter resignierten, was soll dann aus unserer geliebten Poëna, unserer Erde werden? Doch Simon und ich geben nicht auf. Wir nehmen das Angebot an und ziehen morgen los. Dazu sind Simon und ich fest entschlossen. Wenigstens wir werden noch kämpfen, wofür wir glauben und uns nicht durch einen einfachen, schnellen Tode auf dem Schafott aus diesem Leben stehlen. Versucht nicht, uns umzustimmen, es ist unsere letzte Möglichkeit, die uns bleibt, uns zu bewähren. Ich finde Trost in dem Gedanken, meinen letzten Kampf meiner Verlobten Tamara zu widmen. Wenn auch meine Bemühungen nicht zum Ziel führten, ihr ihre innig geliebte Freiheit wiederzugeben, so ist mein Leben verwirkt und es bleibt mir nur mein Leben für ihres zu opfern, um die Götter durch diesen Beweis der Liebe doch noch umzustimmen und aufzurütteln, ihre gleichgültige Haltung zu brechen. Wenn auch dadurch unsere Herzen bis ans Ende der Zeit getrennt bleiben."

Schweigen hatte sich ausgebreitet und den ganzen Kerker erfaßt. Gebannt hatten alle Häftlinge gelauscht, und die Münder standen vor gespannter Anstrengung des Lauschens offen wie Froschmäuler, als ob sie dadurch ein drittes Ohr bekämen. Doch kaum hatte Anselm geendet füllte sich der Kerker bereits wieder mit Stimmengewirr. Es meldeten sich auch Stimmen, die vorher heftig gegen das Angebot wetterten, nun mit ganz anderen Tönen zu Worte. Man solle gehen, vielleicht überlebe man ja, wenn man gut genug kämpfe und bekäme für seine Verdienste dann seine Freiheit wieder.

Ich dankte Anselm für die vielen schönen Gespräche, die wir geführt hatten und suchte nach Worten angesichts des bevorstehenden Abschiedes. Er erhob sich und holte hinter einem losen Stein ein kleines Bündel Papyr hervor. Er übergab es mir mit dem Auftrage, es seiner Familie irgendwie zukommen zu lassen. Es waren ein Tagebuch und diverse Essays über die verschiedensten Themen. Und am schwerwiegendsten von allen, Abschiedsbriefe an seinen Vater, seine Mutter und seine geliebte Schwester, von der er mir viel erzählt hatte. Auch Simon Arden hatte Anselm zwei Briefe diktiert, die ich ebenso mitnahm. Also das hatte er mit dem Papyr gemacht. Die Namen der Empfänger kunstvoll in kleinster und schöngeschwungener Schrift auf den Umschlägen. Wir drei verabschiedeten uns herzlichst voneinander. Ich versuchte noch einige Worte des Trostes zu finden, doch Anselm legte mir seine Hand auf die Schulter.

"Versuch uns nicht Mut zu machen. Ich habe meinen Trost gefunden, wenn ich nur an meine Verlobte denke. Es gibt hier unten andere, die deiner viel mehr bedürfen, als wir es tun. Geh nun, mein Freund, und kümmere dich um sie. Nie werden wir dich vergessen und das, was du für uns getan hast. Du bist der Lichtschimmer dieses Kerkers der ewigen Nacht. Sei dies auch für andere, wie du es für uns warst. Und nimm dir ein Beispiel an der Mutter des Lichtes, der Sonne. Auch wenn sie, fest geheftet an den Helios-Wagen, jeden Tag untergehen muß. So findet sie doch jeden Tag wieder die Kraft, von neuem zu strahlen, und verwandelt die Nacht in einen neuen Morgen, so wie du Verzweiflung in Hoffnung wandeltest. Lebe wohl mein Freund." Mit diesen Worten nahmen wir Abschied.

Am nächsten Morgen verließ eine lange Kolonne die Kerker der Verdammten. Bleich wie Maden, ob der ewigen Dunkelheit der Zellen, verließen sie die steinerne Burg wie fauliges graues Fleisch. Alle hatten sich entschieden zu gehen. Nur den Kranken und Schwachen verwehrte man dies. Es würde ein harter Marsch bis zu Grenze.

Acht Tage später gingen die ersten Gerüchte über schwerere Scharmützel an der Grenze um. Offenbar ein vorsichtiges Abtasten der Gegner, wie gut ihre Waldläufer und Späher auf Zack sind. Als sich die Gerüchte verdichteten, daß ein Heer in der Grothe-Ebene zusammengezogen würde, machte ich mich dorthin auf. Die Kerker waren leer und meine "Schützlinge" jetzt alle dort. Vielleicht konnte ich doch noch etwas für sie tun. So suchte ich Proviant zusammen, sattelte mein Maultier und ritt los zur Grothe-Ebene.

Ich beeilte mich und verlangte meinem treuen Grauen eigentlich zu viel ab. Bereits am dritten Tage, als die Sonne schon etwas an Höhe gewonnen hatte, erreichte ich den letzen Hügel über der Grothe-Ebene, den es zu überwinden galt. Ich war am Ziel. Von meiner erhöhten Position aus konnte ich die ganze Ebene überblicken. Vor mir lag unser Heerlager. Es befand sich in heller Aufruhr, als ob man in einen Ameisenhaufen gestochen hätte. Ich mußte erkennen, daß ich zu spät kam, um noch etwas für sie tun zu können. Die letzten Vorbereitungen zur Schlacht liefen, man würde mich nicht mehr in das Lager einlassen. Die Reihen bezogen Aufstellung. Ich strengte meine alten Augen an, ob ich jemanden erkennen könnte. Und siehe da, die vordersten zwei Reihen der Fußsoldaten bildeten die Häftlinge aus den Kerkern. Manche hatten sich sogar zusammenketten lassen um ihren Kampfeswillen zu steigern. Und dort in vorderster Reihe erkannte ich Simon und Anselm. Wenn man sie vorschickte würden diese zwei Reihen als erste fallen, sie waren nur zum verheizen da. Auf der anderen Seite hatte das gegnerische Heer seine Aufstellung beendet. Auf beiden Seiten erschallten die Hörner und Trommeln. Der Boden erbebte als sich unzählige Männer, Pferde und Kriegsgerät stampfend in Bewegung setzten. Der süßlich-saure Geruch des Angstschweißes der vielen Männer und Pferde wehte mit dem heißen Wind von der Ebene zu mir hinauf. Immer schneller wurden die Fußsoldaten aufeinander zugetrieben. Von schnellem Gehen in einen Laufschritt und schließlich, von immer schnellerem Trommelwirbel und der Reiterei, die drohte, sie niederzureiten, wenn sie nicht schnell genug liefen, in blindes Rennen. Wie rasend stießen die beiden Heere aufeinander. Eine Kakophonie aus Trommeln, Schreien, Klirren von Metall, Aufheulen von Verwundeten, Splittern von Holz, Gewieher und unerbittlich geschriehenen Befehlen erreichte meine Ohren. Ich heftete meine Augen auf Anselm, ob seiner Größe stach er doch wenigstens etwas aus dem Haufen heraus. Er schwang sein Klinge, wurde gestoßen, strauchelte, fiel nieder und stand nicht mehr auf. In diesem Durcheinander der lebenden und toten Leiber verlor ich ihn wenige Augenblicke später vollständig aus den Augen. Tief hatten sich die beiden Heere durchdrungen und von überall erscholl Kampfeslärm. Die vorderen Reihen der Häftlinge waren kurze Zeit nach dem Aufeinanderprallen der Heere vollständig aufgerieben worden. Keiner der vorderen Fußsoldaten kam davon, auch wenn unsere Seite letztendlich siegte. Voll Grauen wandte ich mich ab. Mögen ihre Seelen Ruhe finden.

Dorneth, Priester der Schriftrolle Ranra

Höret, Höret!

Barden, Musikanten und Fahrende Sänger Heligonias!

Wieder ist ein Jahr verstrichen und die Zeit des Lormarker Bardenwettstreites naht mit großen Schritten. Auch wenn die Stelle des Hauptes des Gesanges von Lormark inzwischen vergeben ist, harren doch die Baronin, die Edlen und das Volk von Lormark der Darbietungen der Barden und Musikanten Heligonias und anderer Länder im edlen Wettstreite, auf daß der Beste unter ihnen mit dem Lorbeer des Sieges gekrönt und zum Haupt des Bardenwettstreites ernannt werde.

Auch in diesem Jahr geruht unsere edle Baronin, die vier besten Barden des Bardenwettstreites als Gäste über den Winter auf der Lorburg willkommen zu heißen.

Deshalb kommet zuhauf und erfreuet unsere Baronin, unsere Edlen und das Volk von Lormark mit Euren Darbietungen, auf daß reichlich Handgeklapper und großzügige Belohnung Eurer Sanges- und Musizierkunst Eure Mühsal versüßen.

Wisset, daß die Zeit des Bardenwettstreites heuer auf die Woche vom 24. bis zum 31. Tag des 2. Xurl fällt und daß verschiedenerlei Ergötzlichkeiten und eine Vielzahl von Speis und Trank der Besucher harren. Hofkanzlei Ihrer Hochwohlgeboren, Nimue von der Aue, Baronin von Lormark

Bernsteinzimmer wieder aufgetaucht?!

Zu der Zeit, als der Fürstensitz noch Betis war, gab es im Schloß der Herrscherfamilie, der Fliehburg auf dem betiser Fluchtberg, einen besonderen Empfangssaal aus Bernstein, das sogenannte Bernsteinzimmer, Entsprechend dem alten Namen von Betis, Beihysan, was soviel bedeutet wir die Schöne, die Große, war dieser Saal sehr pompös und prunkvoll eingerichtet. Die Wandtäfelungen waren reichlich mit Bernstein verziert, die Möbel waren aus Edelhölzern schnitzt. Kostbare Gemälde von großen Künstlern vervollständigten den Eindruck, den dieser Empfangsaal auf seinen Betrachter ausübte. Man sagte, daß wer einmal in diesem Raum gewesen, ein neues Verständnis von Pracht und Herrlichkeit entwickelt hätte.

Als Fürst Rarl von Thal den Sitz der Fürstenfamilie von Betis nach Hochanthen verlegte, veranlaßte sein Bruder, Prinz Hehnloon von Tha/, ein Schöngeist und Künstler, das gesamte Bernsteinzimmer aus der Fliehburg in das neue Schloß in Hochanthen zu transportieren. So wurden die gesamten Gemälde und Möbel sorgfältig verpackt, die Wandtäfelungen vorsichtig von den Wänden abgenommen, und die gesamte teure Fracht auf mehrere Ochsenkarren verladen, um sie auf diese Art und Weise auf ihre lange Reise zu schicken.

Die Route des Bernsteinzimmers, welche Prinz Hehnloon lange geheim gehalten hatte, führte direkt am Brazach entlang, um so eine Verpflegung der Reisegemeinschaft mit dem Schiff zu ermöglichen. So wurde jeden abend eine festgelegten Stelle am Ufer des Brazach angesteuert, wo man vom Schiff aus mit Nahrung versorgt wurde. Als man jedoch nur noch eine Tagesreise von Hochanthen entfernt war, erschien die Gruppe mit dem Bernsteinzimmer nicht an dem vereinbarten Punkt. Eine sofort angelegte große Suchaktion blieb ohne Erfolg. Seither fehlte von ihm jede Spur, so daß es allmählich in Vergessenheit geriet Vor kurzem wurde jedoch bei der Festnahme mehrerer Schmuggler in Sethnara in der Provinz Hochwalden eines der Gemälde gefunden, welche sich im Bernsteinzimmer befanden. Das sichergestellte Gemälde, welches von dem Künstler Friedwatt Eichkorn gemalt wurde, zeigt eine Stilleben mit einer Obstschale auf einem Tisch innerhalb eines alten Bauernhauses. Eine Befragung der Festgenommenen ergab nur den wagen Hinweis darauf, daß sich Teile des Bernsteinzimmers in der Mark Bergfurt innerhalb der Baronie Niederlormark befinden sollen. Eine Untersuchung in diese Richtung soll demnächst in Angriff genommen werden. Wer weitere Hinweise auf den Verbleib auf Teile des Bernsteinzimmers hat, möge diese uns zukommen lassen.

Hartmut Hohlbein Schreiber der Garde zu Anthan

Herr Ragabun,

nunmehr ist es ja über die Maßen erfreulich, daß wir beide Einigung erzielt haben. Der Stand der Dinge - und was ich von Anfang an gesagt habe - ist: Eine Hochzeit wäre schön!

Daß der Großteil des heligonische Adels Hochzeiten auch schön findet, steht für mich außer Frage - wer tut das nicht? Ich werde mich hüten und werde weder vorsätzlich noch nachsätzlich behaupten, Eure hochrangigen Adligen würden eine Hochzeit nicht schön finden. Noch stelle ich Eure recht kühne Behauptung in Frage, wirklich die Meinung der gesamten heligonischen Bevölkerung, mittels einer "Umfrage" eingeholt zu haben (wobei ich bemerken möchte, daß mich, und auch meinen Lehrmeister, keiner gefragt hat) und glaube gern, daß auch die meisten Heligonier Hochzeiten schön finden. Man mag sich bei diesem Stand der Dinge fragen, weshalb es nun aber keine Hochzeit zwischen den betreffenden Personen gibt? Die Antwort liegt auf der Hand, weder der eine noch der andere potentielle Ehepartner fände offensichtlich eine Hochzeit miteinander schön - die von Euch erwähnten heligonische Persönlichkeiten, Ihr und der Großteil des restlichen Heligonias, müssen sich dieser Tatsache stellen!

Ohnehin wäre es von Seiten Thals ein kapitaler Fauxpas gewesen, auf Versprochenes auch nach Wechsel der Umstände zu pochen. Hierzu ein Auszug aus dem Heliosboten Nummer 3 ( "Der Rebell Adveri", vierte Seite, Zeile achtundzwanzig):

...Um die Wogen zu glätten, erklärte der alte Fürst von Thal Khelvan, daß Adveri nicht mehr als Verbrecher gelten solle. Er versprach ihm, ihn als Baron in seiner alten Heimat einzusetzen, um so der Feindschaft und den Unruhen ein Ende zu bereiten.

Dieses Versprechen jedoch war aber nur eine politische Finte und war nur mündlich geschehen. Der unfähige Baron Windjon, der Adveris Vorgänger hätte sein sollen, verstarb unglücklich bei einem bisher noch nicht ganz geklärten Jagdunfall. Khelvan mußte nun seinen kurzsichtigen Worten Taten folgen lassen. Sein groben Fehler einsehend, dankte er an seinen Sohn Utran ab. Der neue Fürst von Thal ließ den nur mündlich vereinbarten Vertrag nicht gelten und vertröstete Adveri auf bessere Zeiten. ...

Mit freundlichen Grüßen, ein stiller Beobachter.

P.S.: So Ihr unseren fröhlichen Meinungsaustausch weiter fortführen möchtet, würde ich einen Wechsel des Terrains, sprich das Portal, gutheißen!

Handelsreise nach Flaitney

Am 18. Tage des 1. Xurl verließ eine kleine Handelskarawane die Hauptstadt Anthans, Hochanthen. Sie führt Waren aus Hochwalden, Uhlenstein, Hochanthen und anderen Regionen Thals mit sich. Das Ziel der Reise ist Croithno'na, die Hauptstadt der in Drachenhain gelegenen Baronie Flaitney. Roxana von Beraht, Freifrau von Hochwalden und Vasallin Ihrer Hochgeboren Prinzessin Celia von Thal, folgt damit einer Einladung des Barons von Flaitney. Die Baronien Anthan und Flaitney wollen dadurch die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern weiter ausbauen und auch in Zukunft einen weiteren Warenaustausch anregen.

Die Karawane, mit der auch ein Händler sowie ein Holzschnitzer aus Sethnara reist, möchte bis zum großen Thaler Herbstmarkt Ende des 2. Xurls wieder in Hochanthen sein. Dort sollen die mitgebrachten Waren, vor allem Wolle, Felle und Schafprodukte aus der Hochlandbaronie, feilgeboten werden.

Berengar Abaelard, Schreiber aus Hochanthen