Spezial:Badtitle/NS100:Ausgabe 27/ Der Trommler

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Warum die Arnacher Flugbriefdrachen an allem schuld sind

Es lief alles sehr gut. Die Burg war unter ihrer Kontrolle. Alle, die etwas gesehen haben konnten, waren tot oder in Gewahrsam genommen worden. Der Putsch war perfekt organisiert und ausgeführt.

Anfangs war niemand mißtrauisch, als einen Tag nach der Ankunft der vielen Fremden und sogenannten Flüchtlingen auf der Eichenburg in der Baronie Grauburg andere Fahnen und Wappen als die der Grauburger Garnison auf den Türmen wehten. Die Thalioner hatten die Burg übernommen. Leise und unbemerkt von allen war es in der Nacht geschehen. Die Aussage, die Grauburger seien überraschend abgezogen worden, glaubten fast alle und sie fühlen sich unter dem Schutz der Thalioner Gardisten sicher. Und die Putschisten fühlten sich ebenso sicher, schließlich hatten sie und Rhoderich alles unter Kontrolle. Leutnant Thodolf war durch seinen Bruder Berkan ersetzt worden und überall auf der Burg hielten sich unbemerkt und verdeckt teemoranische Söldner auf, die im Ernstfall eingreifen würden. Der Sohn Erminas, ebenso Leutnant Thodolf waren in sicherem Gewahrsam und Hauptmann Belwenton war, wie alle Grauburger Gardisten, tot.

Leider lief doch nicht alles so glatt, wie es sich Rhoderich und seine Mannen erhofft hatten. Der Stallmeister, der zusammen mit dem Sohn in Thalion Stadt gewesen war, schaffte es bis zur Burg. Schwerverwundet überlebte er nicht, aber es reichte, um die vielen Anwesenden, vor allem die Krieger und Ritterorden mißtrauisch werden zu lassen. Schließlich war es schon der zweite Tote innerhalb weniger Stunden.

Als dann auch noch die Herrin Ermina ihr bis dahin andauerndes Schweigen brach und erzählte, daß sie ihren Sohn in höchster Gefahr glaubte, begann das Mißtrauen ebenso wie die Spannung auf der Eichenburg zu wachsen. Bei der Suche nach dem Sohn Erminas "stolperten” die Fremden über Thodolf, der von Thalioner Gardisten im Wald festgehalten worden war. Berkan wollte persönlich Rache an seinem Bruder nehmen und hatte ihn deshalb als einzigen in jener Nacht am Leben gelassen. Dies erwies sich nun leider als verhängnisvoll.

Denn Thodolf klagte seinen Bruder und alle, die bei ihm waren des Hochverrats, Putschversuches und Mordes an Erminas Sohn und den Grauburger Gardisten an. Die Thalioner hatten jedoch den ganzen Tag dazu genutzt, ihre Position zu festigen. Die Anklagen konnten bis zuletzt nicht bewiesen werden und viele der anwesenden Abenteurer und Krieger standen sogar auf der Seite der Thalioner und Rhoderichs. Die Anschuldigungen flogen hin und her, wurden verworfen, widerlegt und wiederum ausgesprochen. Ein Ende der Debatte schien nicht in Sicht. Auf beiden Seiten standen die Kämpfer dicht an dicht. Jeder wußte, nur ein Funke und es würde zum Kampf kommen. Wie die alles entscheidende Schlacht letztendlich begann, weiß wohl niemand mehr zu sagen. Schilde prallten aufeinander und auf die Schwerter. Pfeile flogen von einer Seite zur anderen wie wüste Beschimpfungen. Zunächst schienen beide Seiten gleich stark zu sein. Hierbei muß ich meine Hochachtung vor den Thalionern aussprechen. Sie waren ihren Gegnern fünf zu eins unterlegen und hielten trotzdem Stand.

Auch hatten sie ihren Platz strategisch so gewählt, daß sie nach einigen heftigen Attacken der Gegenseite durch das Außentor der Burg stürmen konnten. Das Tor wurde verriegelt und verrammelt. Mit lauten Siegesrufen feierten die Thalioner und die Söldner ihren Erfolg. Ihre Gegner waren in der Burg gefangen!

Pläne wurden geschmiedet, sowohl in der Burg als auch vor den Toren. Die Thalioner und ihre Verbündeten planten, die Burg zu belagern, abzubrennen oder die Zugbrücke zu zerstören und inzwischen durch Boten Verstärkung herbeizuholen und damit die Macht im Lande endgültig zu übernehmen. Rhoderich triumphierte und auch Berkan hatte einen Erfolg zu feiern, schließlich hatte er seinen Bruder Thodolf eigenhändig mit der Armbrust erschossen. In der Burg wurde ebenfalls heiß debattiert und man besann sich nach kurzer Zeit auf ein kleines, unbedeutendes Tierchen. Die Arnacher Flugbriefdrachen. Diese bis dato wohl nur wenigen bekannten Tiere waren wie Brieftauben in der Lage, Nachrichten blitzschnell von einem Ort zum anderen zu fliegen. Und vor allem können sie, im Gegensatz zu ihren gefiederten Kollegen auch bei stockfinsterer Nacht zum Einsatz gebracht werden. Ein solcher Drache wurde eilends mit einer Botschaft versehen losgeschickt und kaum eine Stunde später - welch wundersames Flugwesen - war ein anderer mit einer Nachricht des Barons von Grauburg zurück. Es handelte sich um das Todesurteil für alle Thalioner Gardisten, die an dem Putsch beteiligt waren, ebenso für den falschen Leutnant, Ritter Rhoderich und seine Helfer. Dergleichen instruiert und von der Obrigkeit abgesegnet, wagten die eingesperrten Ritter und Krieger einen Ausfall und stürmten mit aller Macht gegen die Thalioner und ihre Kameraden vor, die mit einem so schnellen Angriff nicht gerechnet hatten. Sie wehrten sich tapfer, aber gegen eine solche Übermacht kommen selbst die besten Kämpfer nicht an.

Ein Hoch auf die Helden! Welch eine heroische Tat, mit 50 oder gar mehr Kriegern eine kleine, erschöpfte und zum Großteil verwundete Schar von Söldnern und Gardisten, die völlig überrascht waren, abzuschlachten!

Und ein Hoch auf die verdammten Arnacher Flugdrachen, ohne die das Leben in Grauburg nicht mehr so wäre, wie es jetzt ist. Ich für meinen Teil werde jedes dieser Biester abschießen, wenn ich eines sehe. Und ich kann jedem, der einen Putsch plant, nur raten, vorher sicherzustellen, daß keine solchen Tiere in der Nähe sind!

Ein Augenzeuge

Caronia und Thalion brechen ihren Vasalleneid!

"Verrat, Verrat!”, rief der berittene Bote, als er sein Pferd in wildem Galopp nach Passieren der großen Außenpforte über den Hof von Burg Brassach peitschte. Flink glitt er aus dem Sattel, warf die Zügel seines schweißgebadeten Pferdes einem Wachposten zu und lief eiligst die Treppe zur Hauptburg hinauf, wobei er jede zweite Stufe übersprang. Die Wachen, die in ihm einen der ihren erkannten, ließen ihn ohne Behelligung passieren. Erst vor dem Speisesaal der Burg gebot ihm Hagen von Grauburg, der sich aufgrund des Lärms im Hofe und auf Geheiß des Markgrafen von der Abendtafel erhoben hatte und sich nun anschickte den Boten abzufangen, Halt: "Haltet ein, Gerbron und berichtet rasch!”. "Zum Markgrafen! ... Es eilt, mein Baron! ... Herr, bitte!”, keuchte der Reiter knapp. Der Baron von Grauburg führte seinen Untergebenen in den Speisesaal, wo Markgraf Kalveram samt Gattin und verschiedener Adliger und Gäste aus Tlamana in den frühen Abendstunden des dreizehnten Tages der ersten Poëna ein Mahl einzunehmen gedachten. Die wenigen Schritte zum großen Saal nutzte der Bote, um ordentlich Luft zu schnappen. Als Gerbron seinen Herrn erblickte, fiel er demütig auf die Knie. Bevor der Markgraf ihn auffordern konnte, mit seinem Bericht zu beginnen, durchbrach die Stimme Kahra von Breitfurts, die Botschafterin der ligoniischen Baronie Tlamana, die Stille im Raum. "Sollen wir uns entfernen?”, fragte sie mit fester Stimme den Herrn des Hause. "Nein, bleibt.”, entgegnete der Markgraf knapp und befahl dem Boten mit einem Fingerzeig, sich zu erheben. "Mein hochwohlgeborener Herr, verzeiht uns unser Auftreten,”, begann der Bote seinen Bericht und blickte dabei kurz auf seinen schweißnassen Wams und seine mit Dreck befleckten Stiefel und Beinlinge herab, " aber wir reiten seit vielen Stunden, um Euch äußerst wichtige Kunde zu überbringen. Uns schickt untertänigst Aagel, der Herr von Ahgram, um Euch über Unruhen und Aufstände im Westen Eurer Markgrafschaft zu unterrichten ... Anholt von Brassach, der Baron zu Caronia und Großcousin Eurer Gemahlin, sowie Rhoderich von Thalion haben das Schwert gegen Euch erhoben und ihre eigenen Truppen gegen die Unseren ins Feld geführt! Die Provinz Tharagonien wurde von den Mannen Rhoderichs und Söldnertruppen, die offensichtlich einen teemooranischen Dialekt sprechen, überrannt. Die feine Stadt Tharagon fiel ohne offensichtliche Gegenwehr in der Nacht. Und in Bastien, Herrach und Damas, Eurer Sommerresidenz, wehte am Morgen des heutigen Tages das Wappen Anholts im Wind, nachdem man nächtens in einer feigen Tat die Wachen überwältigt hatte. Euer Großcousin, hochgeschätzte Markgräfin, hat seine Truppen über die Landesgrenzen der Baronie Caronia geführt und es gewagt, Teile der Provinz Brassach zu besetzen. Auch von der Eichenburg kam keine Nachricht mehr via Ahgram zur Kommandantur in Grauwiel. Lediglich ein reiterloses Pferd, eben das Pferd des Botenreiters der Strecke Grauwiel – Eichenburg, fand trottend seinen Weg zurück in die Stallungen von Ahgram. Vom Reiter selbst fehlte jede Spur. Der alte Herr Aagel schickte daraufhin selbst Reiter und Späher aus und sammelte die nun Euch vorgetragenen Informationen, um Euch durch meine bescheidene Person, ausgiebig in Kenntnis setzen zu können. Folglich läßt er Euch zudem untertänigst unterrichten, daß viele der Mannen, die zu den Waffen gegriffen haben und gegen Euch ins Feld rücken, nicht die Wappenröcke Thalions oder Caronias tragen. Kein Wappen oder Feldzeichen ward auf ihren Röcken zu erkennen. Vielmehr wirkten sie in ihrem Aussehen doch eher wie willkürlich rekrutierte Söldnerhaufen. Anholt rückt nun mit seinen Mannen über die brassachische Senke gen Tarnam vor, nahezu alle seine Ritter begleiten ihn. Einzig das Wappen des Ritters von Dachsrode ward nicht in seinem Aufgebot zu erkennen. Der Vormarsch Rhoderichs scheint aber aus nicht offensichtlichen Gründen zum Erliegen gekommen zu sein. Dies, so will Euch Herr Aagel berichten, lasse sich nicht erklären, aber es sei zu äußern, daß dies eindeutig nicht aufgrund einer Intervention Eurer Getreuen geschah. Aagel bittet Euch inständig, ihm Hilfe zu schicken, denn mit den wenigen Mannen aus Ahgram und einigen Templern, die sich auf den Weg in die neue Ballei im Norden befanden und von ihm zur Verteidigung Eurer Herrschaft ‚rekrutiert' wurden, vermag er eine vereinte Streitmacht Anholts und Rhoderichs nicht lange aufzuhalten. Denn allem Anschein nach ist es die Strategie Eurer Feinde, sich östlich des Damas-Sees zu einem großen Heer zu vereinigen: Anholt vom Nordwesten kommend und Rhoderich aus dem Südwesten!”. Nachdem Gerbron seinen Bericht beendet hatte und wieder auf die Knie sank, herrschte für wenige Augenblicke betretenes Schweigen im großen Saal. "Nun, Anholt und Rhoderich”, durchbrach Kalveram die Stille und richtete seine Worte an die nicht anwesenden Umstürzler, "zeigt Ihr Eure wahren Gelüste!”. Der Markgraf schaute nacheinander in die Gesichter der umstehenden adligen Herren, die ihm wortlos zunickten. "Gut, trommelt alle verfügbaren Mannen zusammen! Wir brechen so schnell wie möglich auf!” Hagen von Grauburg nahm als erster sein Schwert von der Bank an der Tür und verließ eiligen Schrittes den Saal. Schwach vernahm man auf dem Flur noch folgenden Satz aus dem Munde des Barons von Grauburg: "Kein Verrat von grauburger Boden aus! Niemals wieder!”

Noch in den späten Abendstunden des dreizehnten Tages der ersten Poëna setzte sich das eilig zusammengestellte Heer Kalverams in Bewegung, um die Verräter nach Möglichkeit schon weit vor Tarnam zu stellen. Die brassachische Infanterie, verstärkt durch Fußeinheiten der Templer zu Ankur, wählte ihre Route durch den Gebirgszug Hohenmark, währenddessen die Reiterei die Hohenmark südlich bei Charo umging. Der Baron von Grauburg eilte indes in die Hauptstadt der Provinz Grauburg, um dort alle verfügbaren Recken zu einer weiteren Armee zusammenzufassen. Kurz nachdem der junge Baron die "graue Burg” erreicht hatte, übergab ihm der Hauptmann der Hofgarde eine Botschaft Freifrau Erminas von Eichenburg, die erst vor wenigen Augenblicken angekommen war. Die Herrin der Eichenburg, in deren thalioner Heimstatt die grauburger Autoritäten eine Garnison einrichten durften, um somit den Anspruch Hagens auf die nun zur Baronie Grauburg gehörenden Provinz Thalion zu festigen, ließ ihren Baron mittels eines darianischen Pterollion wissen, daß sich Rhoderich widerrechtlich in den Besitz der Eichenburg gebracht hatte, indem er seine verräterischen Mannen in der Nacht vom zwölften auf den dreizehnten Tage der ersten Poëna die noch im Aufbau befindliche grauburger Garnison unter dem Befehl Hauptmann Belwentons von Einbrück überfallen und die Besatzung der Burg bei der gewaltsamen Übernahme töten ließ. Dem Lehnseid ihres im Ödlandkrieg gefallenen Mannes verpflichtet informierte die wackere Freifrau ihren Lehnsherren darüber, daß es ihr gelungen war, eine stattliche Anzahl Reisender und Gäste der Eichenburg, darunter viele Kämpfer und auch Abordnungen zweier ausländischer Ritterorden, die in der "leeren” Vorburg eine Zuflucht und Herberge gefunden hatten, auf die rechtschaffende Seite zu ziehen und Rhoderich entgegenzutreten. Dieser Übermacht ward es am Abend gelungen, den Putschisten samt seiner Helfershelfer aus der Burg hinaus zu treiben. Während Hagen nun seine Armee aufstellen ließ, diktierte er einem Schreiber eine entsprechende Antwort auf die Botschaft Erminas, die von einer weiteren Flugechse zurück zur Eichenburg befördert wurde. Hagen erteilte der Freiherrin in einem kurzen Schreiben die Anweisung, Rhoderich nochmals zu stellen und vernichtend zu schlagen. Dann schwang sich Hagen selbst auf sein Streitroß und führte das Heer der südlichsten Baronie Norrland-Brassachs, bestehend aus Reiterei und den gefürchteten grauburger Bogenschützen, durch das westliche Stadttor Grauwiels. Bevor er sich nun anschickte, sich mit dem Heer Kalverams westlich der Hohenmark zu einer schlagkräftigen Armee zu vereinen, entsandte er noch einen Boten zu seinem Bruder Hadebrand in den hohen Norden der Markgrafschaft.

Am frühen Morgen des vierzehnten Tages der ersten Poëna, die Sonne ward erst gerade am Horizont erschienen, erreichten die beiden loyalen Heere den vereinbarten Punkt in gutes Stück westlich des Damas-Sees. Von einer Streitmacht des Feindes ward allerdings weit und breit nichts zu sehen. Lediglich einige vorgeschobene Posten der Aufständischen konnten ausgemacht werden, die sich aber nicht auf eine Konfrontation mit den Mannen unter der Führung des Markgrafen einließen. Vielmehr zogen sie sich schleunigst Richtung Caronburg, Thalion-Stadt und Tharagon zurück. Der Markgraf ließ Späher ausschicken, die nach einiger Zeit unversehrt zurückkehrten. Die Kundschafter berichteten, daß man Spuren eines größeren Trosses gefunden hätte, allerdings endeten die Spuren wenige heligonische Meilen westwärts in einer großen Kehrtwendung und führten zurück in Richtung Caronburg. Spuren, die aus Thalion in die brassachische Ebene führten, waren erst gar nicht auszumachen. Der Feind hatte anscheinend von einem Angriff auf Tarnam abgesehen, nachdem Rhoderich wohl nicht wie geplant zum Heer Anholts gestoßen war. Die Markgräflichen teilten sich nun ihrerseits auf: Kalveram führte seine Mannen, die durch dazu gestoßene Templer-Reiterei aus der nördlichen Ballei verstärkt wurden, Richtung Caronburg. Hagen ließ seinen Troß gen Damas marschieren. Als man nun die Stadt am See erreichte, wurden die Stadttore sofort geöffnet und die Bürger der Stadt empfingen unter Jubel die markgräflichen Truppen. Vom Feinde fehlte jede Spur. "Die Mannen Rhoderichs haben sich im Schutz der Nacht einfach davongemacht!”, erklärten die Einwohner der kleinen Stadt erleichtert den grauburger Verbänden. Welcher Umstand sie dazu gebracht hatte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Jedenfalls zogen sich die Umstürzler mißgelaunt in ‚ihre' Provinz zurück, nachdem sie am späten Abend des dreizehnten Tages eine Nachricht, vermutlich aus der Eichenburg, erhalten hatten. Folglich marschierte der Heerzug Hagens dann auf der Suche nach den abtrünnigen Soldaten weiter auf Thalion-Stadt und Tharagon zu.

Der leichten brassachischen Reiterei, die als Vorhut für Kalverams Hauptstreitmacht im Norden fungierte, gelang es vor Herrach einige versprengte Mannen der Aufständischen aufzuspüren. Als die Umstürzler ihrerseits die Reiter entdeckten, legten sie unverzüglich ihre Waffen nieder, mit der Bitte, sie doch zu verschonen. "Ob Eurer ‚Bitte' entsprochen werden kann, entscheidet seine Hochwohlgeboren, der Markgraf! Wir nehmen lediglich Eure Kapitulation entgegen, Verräter!”, entgegnete ihnen der Hauptmann der Reiterei knapp und ließ die Gefangenen unverzüglich abführen. In einem Verhör berichteten die gefaßten Verräter, daß der Baron zu Caronia in der Ebene vergeblich mehrere Stunden auf die Ankunft Rhoderichs und eines ehemaligen teemooranischen Heerführers gewartet hatten. Rhoderich selbst, so hatte man später von sich nach Norden absetzenden thalionischen Soldaten unter Führung eines gewissen Berkan erfahren, sei auf der Eichenburg gefangengesetzt worden und hatte sich mit einem versteckten Dolch im Kerker selbst gerichtet, um sich dem Zorn des Markgrafen zu entziehen. Rhoderichs Mannen waren durch den Verlust ihres Herren derart unentschlossen und geschockt, daß es den einzelnen Anführern der verschiedenen Abteilungen nicht gelang, die Truppenteile wieder zu ordnen, um wie vereinbart zum Heer Anholts zu stoßen. Anholt hatte somit keine andere Wahl, als sich zurückzuziehen. Ohne die Unterstützung der thalionischen Verbände und der angeworbenen Söldner wäre eine Feldschlacht gegen die jetzt sicherlich in Überzahl vorrückenden Mannen des Markgrafen eine Schlacht, die man nur verlieren könne. Alsdann ließ Anholt seine Ritter kehrt machen: Mißgelaunt machte man sich auf den Weg zurück nach Caronia, um sich in der Caronburg zu verschanzen.

In Herrach, welches das Gros der norrland-brassachischen Streitkräfte auf seinem Zug gen Westen nach kurzer Zeit erreichte, wehten bereits wieder die Flaggen Norrland-Brassachs, die die Stadtbewohner nach Abzug der Umstürzler wieder aufgezogen hatten, im Wind. Unbehelligt setzte die nördliche Armee alsdann ihren Weg nach Caronburg fort, um Anholt zu stellen. Als man nun endlich in den Mittagsstunden des vierzehnten Tages der ersten Poëna die Hauptstadt der Baronie Caronia erreichte, waren die mächtigen Tore der stark befestigten Stadt verschlossen. Auf der Burgmauer konnte man die Soldaten Anholts ausmachen, die eiligst Steine, vermutlich aus abgerissenen Häusern der inneren Stadt, auf die hohe Außenmauer schleppten. Der "Baron” selbst zeigte sich nicht. Ein ähnliches Bild bot sich Hagen im Süden: Die Tore Thalion-Stadts und Tharagons blieben den grauburger Mannen verschlossen. Auf den höchsten Gebäuden der beiden Städte konnte man das Wappen Rhoderichs ausmachen. Die rechtmäßigen Herrscher Norrland-Brassachs waren somit gezwungen, die durch die Aufständischen besetzten Städte zu belagern und nach ausgiebiger Beschießung mittels Ballisten und Katapulte und durch den anschließenden Sturm der geschlagenen Breschen innerhalb der Stadtmauern einzunehmen. Wieder strömten Boten durch ganz Norrland-Brassach, um Befehle zu überbringen, auf daß das schwere Gerät in den Westen verbracht werden solle. So begann am Nachmittag des vierzehnten Tages des ersten Poëna-Monats die Belagerung der drei sich in Verräterhand befindlichen Städte in der Hoffnung diesem Schrecken ein endgültiges Ende zu bereiten. Auf die Gnade des Markgrafen konnte wohl niemand der Aufständischen hoffen. [...]

Im Feldlager vor Caronburg

Erst wenige Stunden alt, aber dennoch relativ geordnet, zeigte sich das Feldlager vor Caronburg dem Betrachter im Licht des anbrechenden Morgens des fünfzehnten Tages der ersten Poëna. Wenn man genauer hinsah, konnte man erkennen, daß sich das Lager in den letzten Zügen seines Aufbaus befand. So arbeiteten nachwievor herbeigerufene Bauern und Landarbeiter an den Schanzungen, um das Lager bei einem möglichen Ausfall der eingeschlossenen caronischen und thalionischen Verräter verteidigen zu können. Wie bei Brazachkatzen, die man in die Enge getrieben hatte, mußte man bei den in den Mauern der großen Stadt eingeschlossenen Umstürzler mit allem rechnen. Im Zentrum der vielen bunten Zelte der unterschiedlichsten Truppenteile Norrland-Brassachs und der Templer, die sich an die Seite ihres Großmeister gestellt hatten, stand das große blau-weiße Zelt der brassachischen Gardejäger, in dem der Markgraf selbst sein Lager eingerichtet hatte. Von hier aus befehligte er seine Truppen, die den Ring um die Stadt herum nun gänzlich geschlossen hatten, und wartete auf die Ankunft der Ballisten und Katapulte, die man aus den verschiedenen brassachischen Städten angefordert hatte. Wut und Trauer erfaßt seine Hochgeboren bei dem Gedanken, seine eigenen Städte beschießen und vermutlich im Sturm nehmen lassen zu müssen. Viele tapfere Mannen würden hierbei ihr Leben lassen und Glanz und Anmut der zu erstürmenden Städte würden mit jedem Schuß der Belagerungsgeräte mehr und mehr verblassen. Ein Bote riß ihn aus seinen Gedanken, in dem er die Ankunft einer gewissen Gräfin Jenina von Bern zu Wittich mit ihrem Gefolge meldete: Die Gräfin, zugleich Freifrau zu Mariental, Sir Garion von Lichtenberg, Baron zu Lichtenberg und Reichsprotektor zu Wittich, und der Baron zu Kalthausen, Sir Truz von Bern, erster Ritter der Bern baten um eine Audienz beim Markgrafen, die prompt gewährt wurde, so sich doch Ermina, die Freifrau der Eichenburg, und der mittlerweile als Wenzgert von Worden identifizierte und in Ketten gelegte ehemalige teemooranische Heerführer, der seine Söldnertruppen auf Seiten der Umstürzler gegen den Markgrafen ins Gefecht geführt hatte, in ihrem Reisetroß befanden. Bei einer für die Bescheidenheit eines Feldlagers doch recht ordentlichen Bewirtung der hochrangigen ausländischen Gäste nutzte man die Gelegenheit, ausgiebig über die Vorkommnisse auf der thalionischen Eichenburg zu sprechen. So erhielt neben der von den schrecklichen Ereignissen auf der Eichenburg gezeichneten Freifrau Ermina auch Sir Garion von Lichtenberg die Gelegenheit, um aus seiner persönlichen Sicht zu berichten. Sir Garion setzte sich im Anschluß seiner Schilderungen für das Leben Wenzgerts von Worden ein und bat seine Hochwohlgeboren ihn doch in die Verbannung zu schicken. Er würde sich seiner annehmen, so hatte sich doch gerade dieser Mann, auch wenn er auf der anderen Seite stand, in seinen Augen auf dem Felde als fairer Streiter, im Gegensatz zu manch anderem Recken, erwiesen. So gerne der Markgraf auch dem Wunsch des Barons entsprochen hätte, der sich neben anderen Rittern und Gästen der Eichenburg fürsorglich um Freifrau Ermina gekümmert hatte, so mußte er dem Ehrenmann dennoch eine Absage erteilen: "Verrat sei nun mal Verrat und dieser würde in der Markgrafschaft Norrland-Brassach bis aufs Äußerste geahndet werden!”. Selbstverständlich ging es dem Markgrafen auch darum, ein klares und unmißverständliches Signal in Richtung "Ex-Teemooranien” zu schicken, dessen Adlige und sogenannte "Stadträte”, wenn nun auch in einer anderen "territorialen Zusammensetzung”, nachwievor versuchen den Markgrafen in Mißkredit zu bringen und dessen boshafte Absichten nun anscheinend auch militärische Ausmaße angenommen haben. Sir Garion, folglich in Kenntnis aller Fakten, zog seine Bitte zurück. Kalveram von Norrland-Brassach erließ nun seinerseits Befehl, alles für die Verurteilung und die öffentliche Hinrichtung des Söldnerführers vorbereiten zu lassen. Und so begann man am Mittag des Mondtages mit dem Bau eines Schafotts, auf dem beim nächsten Sonnenaufgang Wenzgert von Worden sein Leben durch Abtrennung des Kopfes vom Leibe nach erfolgter Aburteilung gemäß der königlichen Halsgerichtsordnung verlieren würde.

Pflichtbewußtsein und Loyalität

"Ich, Torel Tekin, möchte Euch verehrte Leser über die Geschehnisse des fünfzehnten Tages der ersten Poëna weit im Norden Heligonias berichten:

Es war schon fast dunkel, es nieselte ein wenig und doch herrschte auf dem Zeltplatz geschäftiges Treiben. Um einige Feuerstellen herum saßen auf dem im Zentrum liegenden Platz einige Soldaten unter Zelttüchern, schutzsuchend vor dem Regen, um Ihre Mahlzeiten einzunehmen. Im großen Versorgungszelt wurde das Essen ausgegeben, einige Pferde der gerade erst zurückgekehrten Patrouille wurden abgezäumt und versorgt. Im hinteren Teil des Zeltplatzes vernahm man das Hämmern des Schmiedes, welcher wohl noch kein Ende seiner Arbeit finden wollte. Trotz dieses Treibens aber tauchte die anbrechende Nacht die kleine Zeltstadt in eine gewisse Ruhe und Zufriedenheit. Viele Zelte lagen im Dunkeln und deren Bewohner hielten nach den Mühen des Tages ihren verdienten Schlaf.

Nur ein Zelt war hell erleuchtet. Es war das größte Zelt und stand am Rand des Zeltplatzes. Man erkannte das Wappen meines Herrn, dem Ordensmarschall der Templer zu Ankur, Hadebrand von Grauburg, welches den Eingang des Zeltes schmückte. Von außen erkannte man im Inneren des Zeltes die Umrisse einer größeren Anzahl Menschen. Vor dem Zelteingang standen vier Wachen, die im Schein der Fackeln jedem Fremden den Zugang verwehren würden. Erst beim Näherkommen vernahm man die laute Stimme meines Herrn aus dem Inneren des Zeltes. Ich zog meine Kapuze vom Kopf, um mich den Wachen zu erkennen zu geben und trat in das Zelt. Das grelle Licht der Fackeln blendete mich im ersten Augenblick und erst als ich wieder richtig sehen konnte, erkannte ich um einen behelfsmäßig zusammen gebauten Tisch eine Anzahl Männer, in deren Mitte meinen Herrn.

Er sprach mich an: "Schön das Ihr endlich kommt, Tekin, was hat Euch aufgehalten? Seid Ihr nicht schon seit einer Stunde im Lager und hatte ich Euch nicht ausrichten lassen, daß wir auf Euch warten?”. In seiner Stimme lag ein harter Ton der Verstimmung. Er sah mich vorwurfsvoll an und ich wußte auch, daß er Recht hatte. Nichts haßte mein Herr mehr als Unpünktlichkeit, wenn man mal von Unloyalität absah. Schon zu oft hatte ich meinen Herrn während meiner Ausbildung bei ihm mit meiner Unpünktlichkeit verärgert, aber diesmal hatte ich ihn nicht alleine warten lassen. "Verzeiht ... die lange Reise von Escandra und das schlechte Wetter ... Ich mußte mich erst umkleiden, Herr.”, war meine Antwort. Mein Herr entgegnete daraufhin: "So, umkleiden?! Ich denke eher, Ihr wolltet Eurer Neugierde nicht mit durchweichten Kleidern frönen! Nun gut, darüber reden wir noch! Und wo sind nun endlich die Karten des Kartographen des Königs Denkwill von Nauhen? Wir warten immer noch!”. Ich gab ihm eine Lederrolle. Wie immer hatte mein Herr Recht gehabt, denn die Möglichkeit an dieser Besprechung teilzunehmen wollte ich mir nicht nehmen lassen. Mit durchweichten Kleidern hätte er mich sofort weggeschickt.

Mein Herr übergab die Rolle an einen der neben ihm stehenden Vestaline. Dieser öffnete die Lederrolle und entfernte die vielen Schutzleder. Eine Karte aus Papier wurde auf dem Tisch ausgebreitet und zwei große Kerzenleuchter näher herangezogen, woraufhin die anwesenden Vestaline der Templer und Hauptmänner der Grauburger und Amiener Truppenteile enger an den Tisch rückten. Ich hingegen trat lieber einen Schritt zurück, um meiner Neugierde nicht so offensichtlich Nachdruck zu geben. Mit einem wohlwollenden kurzen Blick registrierte mein Herr dieses Tun. Allzu oft hatte er sich schon meiner schämen müssen. Mein Herr Hadebrand von Grauburg ergriff das Wort: "So, so, dafür das wir eigentlich noch nicht allzuviel über dieses neue Land wissen, ist diese Karte wirklich bewundernswert genau! Wieder eine sehr gelungene Arbeit! ... Dann wollen wir mal sehen, wo wir uns zur Zeit befinden ...”. Er beugte sich vor, einige Vestaline wichen ein wenig zurück, um ihm mehr Platz zu machen. Mit einem kleinen Dolch wies er auf einen Punkt der Karte: "Hier, meine Herren, im äußersten Norden der Markgrafschaft, am Zusammenfluß der Ostra und des Brassachs, da befindet sich unser Lager.”. Er richtete sich auf und sprach weiter: "Jetzt, da wir seit Wochen keine Ödländer mehr gesichtet haben, endet endlich die Zeit der Waffen und beginnt die mühsame, aber sinnvolle Zeit des Aufbaus eines neuen Landes. Für meine Vestaline und Euch, Hauptmänner, bedeutet es viel Arbeit, die neuen Landesteile Heligonias aufzubauen und gegen Übergriffe Fremder zu sichern. Hierzu wird es nötig sein, verschiedene Grenzbefestigungen zu errichten.”. Mein Herr wies mit seinem Dolch auf einige markante Stellen auf der Karte. "Darüber hinaus muß zwischen diesen Befestigungen eine regelmäßige Grenzpatrouille gewährleistet werden. Ich selber werde in den nächsten Tagen mit dem Aufbau der zentralen Balleibefestigungsanlagen von Daronsfeste, dem Sitz der neuen Balleiverwaltung, beginnen. Dazu werde ich ...”. Mein Herr hielt plötzlich inne. Da es nun still im Zelt war, hörte man den offensichtlichen Grund seiner Unterbrechung. Vor dem Zelt wurde laut und wild gesprochen. Sichtlich verärgert, in seiner Rede unterbrochen worden zu sein, rief er aus: "Was soll das zu so später Stunde bedeuten?!”. Ich wollte gerade aus dem Zelt gehen, um für Ruhe zu sorgen, da schritt mein Herr bereits an mir vorbei Richtung Zeltausgang. Seine Zuhörer im Zelt folgten ihm schweigend.

Mein Herr trat auf den Vorplatz des Zeltes. Eine größere Anzahl von Soldaten hatte sich bereits versammelt, um dem Schauspiel beizuwohnen. Während die Hauptmänner und Vestaline unter dem Vorzelt verweilten, trat mein Herr, begleitet von einer Wache mit Fackel, näher zum Ausgangspunkt der nächtlichen Ruhestörung: Zwei Männer, in Höhe des Versorgungszeltes, standen sich wutentbrannt und drohend gegenüber, laut sich wilde Beschimpfungen entgegenwerfend. Was die beiden an Beschimpfungen äußerten, verbietet meine Erziehung hier, verehrte Leser, wiederzugeben. Nur soviel sei verraten, in den Gesichtern der anwesenden Schaulustigen war oftmals der Ausdruck des Erstaunens zu erkennen. Entweder weil sie niemals den einen oder anderen Begriff ausgesprochen hätten oder teilweise solche wüsten Beschimpfungen noch gar nicht kannten.

Offenbar unbemerkt von den beiden in ihren Streit vertieften Soldaten, hatte sich mein Herr genähert und stand nun unmittelbar vor den Streithähne. Es schien auch nicht so, daß irgendeiner der Beiden Anstalten machen würde, den Streit beenden zu wollen. Einen kleinen Augenblick verfolgte mein Herr das Schauspiel, bis er seine Stimme erhob und schrie: "Was ist hier eigentlich los?!!” Beide Soldaten hielten sofort inne und schauten starr und wie geblendete Hasen auf meinen Herrn. Mit fester, ernster und forscher Stimme fuhr mein Herr fort: "Was soll ich davon halten? Gibt es einen vernünftigen Grund, sich derart zu benehmen?.

Der grauburger Gardist fand zuerst seine Stimme wieder: "Herr, ich habe eine wichtige Botschaft von meinem Herrn, Eurem Bruder Hagen von Grauburg, für Euch und dieser Templer wollte mich nicht vorlassen!”. " Dieser grauburger Gardist hat nichts von einer Nachricht gesagt! Unabhängig davon kann niemand einfach beim Ordenmarschall vorstellig werden, ohne sich entsprechend anzumelden!”, entgegnete der Andere lautstark. Beide verfielen wieder in ihren Streit, offensichtlich unbeeindruckt dessen, wer denn da eigentlich vor ihnen stand und zwischenzeitlich keinen freundlichen Gesichtsausdruck mehr hatte. Tobend vor Wut und die beiden übertönend schrie mein Herr: "Das ist ja wohl eine Unverschämtheit! Ich komme mir vor wie im Waisenhaus von Tarnam! Seid Ihr denn von einem wilden Norrland-Bullen gebissen?! Ihr werdet Euren Streit jetzt unverzüglich beenden und Euch Eure Strafe bei den jeweiligen Vorgesetzten abholen! Und jetzt her mit der Nachricht oder habt Ihr Eure Aufgaben jetzt gänzlich vergessen?”. Der grauburger Gardist übergab mit gesenkten Haupt eine Schriftrolle und zog sich sofort zurück.

Die Wache hinter meinem Herrn kam mit seiner Fackel näher, als mein Herr noch auf dem Platz die Schriftrolle vom Siegel seines Bruders befreite und durchlas. Obwohl sein Gesicht wegen des Vorfalls nicht gerade als freundlich zu bezeichnen war, verfinsterte es sich merklich mit jedem Wort, das er las. Mein Herr hob seinen Kopf und verweilte in Gedanken versunken, bevor er schnelleren Schrittes wieder Richtung Zelt und den wartenden Hauptmännern und Vestalinen ging. "Ich habe mich geirrt! Noch ist die Zeit der Waffen nicht vorbei! Verrat gegen unseren Markgrafen und Großmeister! Und wieder von Grauburger Boden!”, waren die Worte die er den wartenden Männern entgegen warf, "Hoffentlich ist es nicht schon zu spät?”.

Die Kunde vom Verrat gegen unseren Markgrafen wurde im Lager mit Entrüstung aufgenommen. Von dieser Minute an war es mit der Ruhe im Lager vorbei. Das Lager wurde aufgelöst, alle Soldaten mußten sich unverzüglich zum Abmarsch bereitmachen. Mir wurde aufgetragen, die Waffen und die Ausrüstung meines Herrn vorzubereiten und sie auf das Pferd zu packen. Mein Herr brach noch in der Nacht gen Grauburg auf, begleitet von 50 berittenen Recken. Alles was eine schnelle Reise verhindern würde, sollte mit dem Großteil der Truppen wieder Richtung Süden nach Daronsfeste ziehen, sich mit den dortigen Templertruppen vereinen und meinem Herrn folgen. Verbleiben sollte nur eine geringe Notbesetzung zur Grenzverteidigung ... Hier enden zunächst einmal meine Aufzeichnungen des fünfzehnten Tages der ersten Poëna des Jahres neunundachtzig nach der Erleuchtung.”

Torel Tekin, Knappe und persönlicher Sekretär

des Herrn Hadebrand von Grauburg