Henkersbeil/Henkersseil
In der Altstadt von Lindfurt, der Hauptstadt der gleichnamigen Baronie in Drachenhain, gab es in der unteren Zollgasse im Hafenviertel einmal eine Taverne, die "Zum Henker" hieß. Sie wurde von einem ehemaligen Krämer namens Sieghart Ehrenbart betrieben, einem talentierten Geschäftemacher, der mit den Ersparnissen seines kurzen, aber ereignisreichen Söldnerlebens eine Metzgerei und eine Taverne finanzierte (die Ähnlichkeit der beiden fast gleichzeitig erbauten Häuser war im Viertel ein überdauernd vergnüglicher Anlass für oft wiederholte Witzchen über verirrtes Schlachtvieh in der Taverne oder den gescheiterten Trunkenbold beim Metzger). Nichtsdestotrotz hatte Sieghart, obwohl er als Mensch schwer zu ertragen war, doch ein hervorragendes Gefühl für die Kundschaft in der nicht besonders noblen, aber sehr umtriebigen Nachbarschaft, seine Taverne war überaus beliebt. Doch das ist lange her.
Leider war Siegbart kränklich und starb früh. Im Jahre 22 n.A.III raffte ihn die Schwindsucht dahin und zurück blieben seine beiden Söhne, Riegelwart und Siegelbert Ehrenbart. Über den Tod ihres Vaters waren sie nicht sonderlich traurig, die Taverne und die Metzgerei jedoch ohne ihn zu betreiben fiel ihnen schwer. Siegelbert hatte zwar beide als Lehrlinge genommen - Riegelwart als Metzger, Siegelbert als Wirt - doch war es ihm stets das wichtigste Anliegen gewesen, seinen Söhnen Respekt einzubleuen und eine Vorstellung davon, was sie alles nicht konnten.
Die Geschäfte der Söhne gingen mehr schlecht als recht. Riegelwart wollte nicht Metzger sein, Siegelbert erwies sich nicht gerade als Wirtstalent. Für eine Weile versuchten die beiden, aus der Metzgerei ein Küchen- und Übernachtungshaus zu machen, was aber nicht lange gut ging, weil die Brüder oft miteinander in Streit gerieten. Als Siegelbert schließlich im Jahre 29 n.A.III zum Ceridentum übertrat, brachen sie endgültig miteinander. Riegelwart kam durch irgend einen Schwindel an einen Wirtsgesellenheliosbrief und machte eine eigene Taverne auf, so dass es fortan in der Zollgasse zwei gegenüberliegende, fast identische Tavernen gab. Riegelwart nannte seine Henkersseil, Siegelbert die seine Henkersbeil
Beide Tavernen sind von innen abgenutzt, mäßig sauber und insgesamt recht dunkel. Vieles wirkt notdürftig repariert. Das Essen ist schlicht aber akzeptabel, die Auswahl gewöhnlich, die Portionen reichlich, die Preise volksnah. Als Getränk wird in beiden Tavernen vor allem eine Lindfurter Spezialität, der "Minzjubler" gereicht, daneben gibt es aber auch Most oder naturtrübes Wasser. Alles andere ist höchstens zufällig vorrätig, teuer und importiert. Es gibt jeweils ähnliche, preislich und anderweitig bescheidene, spärlich ausgestattete Gästezimmer. Seeleute erhalten einen Rabatt.
Die beiden Wirte haben jeweils einen Nebenerwerb, den sie für Werbezwecke einzusetzen versuchen: Riegelwart züchtet für das Henkersseil sedomeesische Flussmuscheln, Siegelbert züchtet für das Henkersbeil tlamanische Frösche. Vom Verzehr wird den Gästen gegenseitig jeweils abgeraten, mit Verweis auf die Gefahr für Leib und Leben.
Überhaupt die Gäste: Das Publikum des Henkersseils besteht ausschließlich aus Ceriden, im Henkersbeil verkehren ausschließlich Ogeden. Häufig kommt es zu ausgiebigen, üblen Schlägereien zwischen den Gästen der verschiedenen Straßenseiten. Ausländische Reisende anderer Glaubensrichtungen haben die Qual der Wahl.
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