Die Bocksflöte
Vorgeschichte zu Helicon 48: In Taverna
Die Bocksflöte
Vor langer Zeit lebte ein Fallensteller namens Jôrund mit seiner Frau Steina am Rande der Drachenzinnen. Jeden Tag ging Jôrund fröhlich pfeifend oder ein Liedlein singend in den Wald, um seine Fallen zu überprüfen oder neue Fallen auszulegen. Eines Tages, die Ausbeute an Fellen war schon besonders groß, da meinte er einen Geißbock in einer seiner Fallen zu sehen. Als der junge Mann näher kam, um das Tier zu befreien, drehte der Bock seinen Kopf zu ihm um. Der Fallensteller erschrak, denn was dort in seiner Falle steckte, war kein gewöhnlicher Geißbock. Der Oberkörper war der eines Mannes und wohl hätte er auch aufrecht gehen können, wäre er nicht gefangen gewesen. Jôrund wollte davonlaufen, als der Bocksmann ihn bat, ihn doch zu befreien. Der Fallensteller kam vorsichtig näher und machte sich daran, die Falle zu öffnen. Als das seltsame Wesen frei war, fragte es, was das denn für Felle an seinem Gürtel seien. Jôrund, nun wieder etwas mutiger, prahlte mit seinem guten Fang. Der Bocksmann blickte auf die Falle und dann wieder auf den jungen Fallensteller. "Dann hast Du diese Fallen ausgelegt?" fragte der muskulöse Halbmensch mit eiskaltem Blick aus seinen ziegenhaften Augen. Jôrund fuhr ein Schauer über den Rücken. Er nickte, seine Kehle fühlte sich plötzlich sehr trocken an. Der Bock nahm etwas, das wie ein flaches Stück Holz mit fünf Löchern aussah, vom Boden auf und setzte es an die Lippen. Jôrund, der sich an eine Geschichte aus seiner Kindheit mit einer Zauberflöte erinnerte, tastete rasch nach seinem Hirschfänger am Gürtel. Er wankte nach vorn und stieß mit seinem Hirschfänger auf den Halbmenschen ein. Dabei streifte er eine Hand des Geißmannes, der daraufhin seine Holzflöte fallen ließ. Jôrund schwankte und fiel vornüber auf das Instrument. Der Bock sprang zurück und zischte: "Verflucht seiest Du mitsamt Deinen Nachkommen." Damit verschwand das Wesen hinkend im Wald. Bis der Fallensteller sich aufgerafft hatte, war der Bock nicht mehr zu sehen. Jôrund steckte die seltsame flache Flöte in seine Tasche und machte sich auf den Weg nach Hause.
Als der junge Fallensteller schließlich Stunden später nach Hause kam, war seine Frau verschwunden. Tagelang irrte er im hügeligen Vorgebirge der Drachenzinnen umher und suchte nach Steina. Eines Tages setzte er sich verzweifelt auf einen Stein. Während er nachdachte, was er noch tun könnte, ertastete er in seiner Tasche die flache Bocks-Flöte. Er nahm sie und begann darauf zu spielen. Plötzlich war er umringt von kleinwüchsigen menschenhaften Wesen, die ihm wie in Trance zuhörten. Er nahm die Flöte von der Lippe und sah sich um. Da die Wesen nicht davonliefen und auch nicht bedrohlich wirkten, fragte er, ob jemand seine Frau Steina gesehen habe. Die Kleinwüchsigen nickten und zeigten zu den Berggipfeln: "Der Bocksmann hat sie mitgenommen. Du wirst sie nie wieder sehen."
Entsetzt schrie Jôrund: "Nein! Das darf nicht sein!" Er steckte die Flöte ein, rannte die Berge hinauf und ward nie mehr gesehen.
Eines Tages fand Brynja, eine Frau im besten Alter, beim Waschen am Fluss einen alten, schäbigen Lederbeutel. In diesem befanden sich ein kleines Messer, ein paar vertrocknete Essensreste und ein flaches Holzstück mit fünf Löchern. Sie betrachtete das hübsche Holz, welches seltsam neu aussah. Sie bemerkte nicht, wie sie von hunderten von kleinen Äuglein beobachtet wurde. Schließlich schnürte sie den Lederbeutel samt Holzstück an ihren Gürtel, beendete ihre Wasch-Arbeit und ging schließlich nach Hause. Das Holzstück hängte sie zu Hause über den Kamin. Sie wusste nicht, was für Geschichten sich um diesen so harmlos aussehenden Gegenstand rankten…
Schutz vor dem Drobvolk
Askla war noch sehr klein, als sie das erste Mal dem lockenden Ruf der zarten Melodien folgte, welcher von hoch oben aus den höchsten Wäldern der Drachenzinnen durch den Wind an ihr Ohr getragen worden war. Sie huschte über Felsen und schlüpfte durchs Gebüsch, bis sie von jemandem zu Boden gerissen wurde, der ihr sogleich die Ohren zuhielt. Als Askla erkannte, dass es sich um eine Koboldfrau handelte, wehrte sie sich nicht mehr. Das alte Weib lockerte den Griff und stopfte ihr mit Harz gefüllte Huflattichblätter in die Hörgänge. Dann führte sie das Mädchen hinunter in die tiefsten Höhlen. Dort musste Askla die nächsten Wochen verweilen, bis die Trolle Entwarnung gaben. In dieser Zeit erfuhr Askla vom Drobvolk, von deren Anführer Widder und seiner Flöte. Ihre Retterin, eine weise alte Kräuterfrau namens Rugara, nahm sie bei sich auf, denn Askla besaß keine Eltern mehr. Askla wurde zu Rugaras Lehrling. Sie erfuhr alles, was Rugara über Kräuter wusste – sowohl heilsame als auch giftige. Und sie erfuhr all die Geschichten über den Bocksmann und seine Herde und dass die Kobolde und Trolle sich kaum mehr ans Tageslicht trauten, sondern fast nur mehr in den verlassenen Höhlengängen der Zwerge hausten.
Viele Winter vergingen und lange nachdem Rugara ihre Augen das letzte Mal geschlossen hatte, hörte Askla wieder die Flöte rufen. Doch war es eine andere Melodie, eine traurige, klagende Weise. Askla war neugierig – der Widder würde eine solche Melodie nicht spielen, das wusste sie. Also schlich sie durch den Wald bis zu einer kleinen Lichtung. Dort saß ein hübscher junger Mann, der auf der Bocks-Flöte spielte. Askla sah in seinen Augen, dass er ein Halbblut war. Ein Teil von ihm war Kobold! Wie konnte das sein? Kein Kobold konnte die Flöte unbeschadet berühren geschweige denn spielen, ohne verrückt zu werden. Als Askla sich umsah, bemerkte sie viele andere Druntvölkler, die das Halbblut mit seinem Spiel angelockt hatte. Als der Mann deren Anwesenheit bemerkte, nahm er die Flöte von der Lippe und sah sich um. Schließlich fragte er, ob jemand seine Frau Steina gesehen habe. Er beschrieb sie als eine hübsche Frau mit langem blondem Haar. Die Kleinwüchsigen nickten und zeigten zu den Berggipfeln: "Der Bocksmann hat sie mitgenommen. Du wirst sie nie wieder sehen."
Noch bevor Askla den Halbblütigen ansprechen konnte, schrie dieser und rannte mitsamt der Flöte den Berg hinauf.
Askla befragte die anderen Druntvölkler, was diese beobachtet hatten und so erfuhr sie, wie Widder in die Falle gegangen war, wie er von dem Halbblut befreit und dann doch beinahe getötet worden war. Sie freute sich, zu hören, dass Widder tatsächlich seine Flöte verloren hatte und diese nun im Besitz eines Halbbluts war. Aber warum musste er jetzt schnurstracks dem Widder hinterher rennen und ihm das Artefakt wiedergeben?
Askla musste handeln. Sie sprang hinunter in die Höhlengänge und ließ die Höhlentrommeln sprechen. Diese sagten jedem Troll und jedem Koboldwesen, dass der junge Fallensteller aufzuhalten sei und sein Beutel mit der Flöte in Sicherheit gebracht werden müsse. So geschah es, dass Jôrund schon wenige Augenblicke später von zwei aufmerksamen Bergtrollen aufgehalten und zu Askla gebracht wurde. Askla redete auf ihn ein und versuchte, ihm die Wichtigkeit der Flöte und der Tatsache, dass er, ein Halbblut, ihr widerstanden hatte, zu erklären. Doch er wollte nichts hören, er wollte nur nach seiner geliebten Frau suchen und so schnitt sie ihm den Lederbeutel von der Hose und ließ ihn schließlich wehmütig gehen.
In den nächsten Tagen versuchten Askla und ihre Leute mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, die Flöte zu zerstören. Doch es gelang ihnen nicht. Berühren konnten sie sie nicht und zerschlagen oder verbrennen war nicht möglich. Eines Nachts träumte Askla von ihrer Lehrmeisterin Rugara. Diese sprach in warnenden Worten, dass Widder bereits auf der Spur der Flöte sei und je länger sie in den Höhlen verwahrt würde, umso eher würde er das Versteck des Druntvolks finden und seine Schergen würden alle vernichten.
Der Beutel mit dem Artefakt musste fort an einen sicheren Ort gebracht werden und Askla hatte auch schon eine Idee, wo er vor Widder und seinem Gefolge geschützt wäre. Begleitet von drei Trollen und neun Kobolden machte sie sich auf den weiten Weg an den Rand der Drachenzinnen, zu den Quellflüssen des Jolborn. Dort gab es die nördlichsten Siedlungen der Menschen, die sich selbst Aelvkildeländer nannten. Askla hatte von Rugara gelernt, dass die Götter den Aelvkildeländern besonders wohl gesonnen seien. Und wer außer den Göttern vermochte ein solches Artefakt zu schützen?
So kam es, dass Brynja beim Waschen einen Beutel im Fluss fand, welcher einen hölzernen Gegenstand enthielt. Diesen brachte sie nach Hause und hängte ihn über den Kamin. Und so begann eine weitere Geschichte, welche noch heute nicht zu Ende geschrieben ist.
Die Jahre vergingen und Widders Gefolge folgte der Spur seiner Bocks-Flöte. Doch die weise Askla hatte zwei mächtige Trolle zurückgelassen, um den Hof zu beschützen. Als vor achtzehn Jahren einige Kundschafter des Bocksmanns dem Hof zu nahe kamen, wurden sie von Swobo, dem älteren der Trolle, zurückgeschlagen. Swobo konnte jedoch nicht verhindern, dass Brynja, die gerade zufällig in der Nähe war, von einem Zauber getroffen zu Boden ging und starb.
Sie ließ ihren Mann Mört und ihre Tochter Halgerd zurück, die fortan ohne sie auf dem Hof auskommen mussten. Als Mört sechs Jahre später im Wald von einem Gefolgsmann von Widder angefallen wurde, war Swobo rasch zur Stelle und besiegte den Bockshörnigen. Doch Mört war schwer verletzt worden. Halgerd, die mit ein paar Knechten den Troll als vermeintlichen Bären vertrieb, konnte ihrem Vater nicht helfen – Brynjas Heilkünste hatte sie leider nicht von dieser gelernt und die wandernde Kräuterfrau war nie lange an einem Ort und daher schwer auffindbar. So fiel Mört in Fieberträume und sein Zustand verschlechterte sich immer mehr.
Askla hörte schließlich über Swobo von dem Zwischenfall und machte sich auf den beschwerlichen Weg zur Jolbornquelle. Im Frühjahr erreichte sie den Hof und bot ihre Hilfe an. Halgerd war überglücklich, doch Mört war inzwischen so krank, dass auch Askla ihm nicht mehr helfen konnte. Sie bot an, ihm Kräuter gegen die Schmerzen zu geben, die ihm auch helfen sollten, einzuschlafen. Sie erklärte Halgerd jedoch, dass sie dadurch in ihrer Schuld stünde und ihr einen Gefallen schuldig wäre.
Die Flöte blieb als Andenken an Halgerds Eltern in ihrem Besitz, auch wenn Halgerd nicht wusste, dass sie der Grund für den Tod ihrer Eltern war.
Mehr als ein Halbblut
Nachdem Askla in Jôrunds Augen erkannt hatte, dass er ein Halbblut war, und die Geschichte von dem Konflikt mit Widder von den Moosmännchen und den Kobolden gehört hatte, wusste sie, was zu tun war. Um die Flöte zu schützen oder gar gegen Widder zu verwenden, waren Halbblüter nötig. Mit diesen Gedanken streifte sie durch das Aelvkildeland und bot allerorts ihre Hilfe als Kräuterfrau an. Besonders interessiert war sie an schwangeren Frauen. Diesen half sie mit ihren Kräutern aus und bot sich als Geburtshelferin an, der Mann durfte jedoch nicht zugegen sein. Als Lohn bat sie um einen Gefallen, so sie denn selbst einmal Hilfe benötige. Wie ein Wunder brachten die glücklichen Mütter allesamt Zwillinge zur Welt. Sie konnten ja nicht wissen, dass Askla sie bei der Geburt mit Kräutern in einen trance-ähnlichen Zustand versetzte und ihnen sodann zu ihrem eigenen ein Koboldskind in die Arme legte.
Die Koboldskinder wuchsen mit ihren vermeintlichen Geschwistern auf, heirateten selbst und bekamen wieder Kinder. Und diese Kinder waren es, die Askla für ihren Plan benötigte - Halbblüter.
Die Jahre vergingen. Brynja und ihr Mann waren inzwischen gestorben, die Flöte war im Besitz von Halgerd – ein Andenken an ihre Eltern und noch in Sicherheit. Doch immer wieder verirrte sich einer der Schergen von Widder ins Aelvkildeland und musste von Swobo oder seinem Freund Koggo vom Hof abgehalten werden.
Doch kürzlich entkam einer der Schergen und nun ahnt Widder, wo seine Flöte versteckt sein muss. Swobo wiederum ließ Askla über das Entkommen informieren und so machte sie sich ebenfalls auf den Weg ins Aelvkildeland, um die Schulden einzufordern: die Halbblut-Kinder und die Flöte.
Die Suche nach dem verlorenen Artefakt
Vor langer Zeit, länger als sieben Menschenleben, wurden dem Orden der Ritter vom Wahren Wort mehrere Gegenstände gestohlen. Einer dieser Gegenstände war eine Flöte von großer Macht. Lange war der Orden auf der Suche nach dem Artefakt und schickte seine Ritter aus. Ulfrich fand eine Spur, die ihn in die Drachenzinnen führte. Nun sind die Drachenzinnen nicht irgendein kleines Gebirge, das man auf die Schnelle durchkämmen kann. Schier endlos scheinen sie sich zu erheben, die Berge, die den Süden Nuremburgs von den nördlichsten Ausläufern Heligonias abgrenzen. In Vjoshaven hatte Ulfrich verschiedene Geschichten über die Drachenzinnen sowie Kartenmaterial und Aufzeichnungen gesammelt. Dies war für lange Zeit der letzte Aufenthalt in einer Menschensiedlung. Danach machte er sich auf die Suche nach dem Drobvolk, einem wilden Haufen von schaurigen Wesen, die in den Drachenzinnen hausen sollen. Nun ist es so, dass das wilde Drobvolk im Winter zwar oft weit hinab in die Täler zieht, um ihr Unwesen zu treiben. Doch im Sommer muss man schon hoch hinauf, bevor man einen von ihnen antrifft.
Und so stieg Ulfrich immer weiter in die Drachenzinnen hinauf. Eines Tages hörte er das Spiel der Flöte. Zum Schutz vor ihrer Wirkung schaltete er ein Gerät ein, welches er sich auf seinen Kopf setzte, und folgte der Musik. Plötzlich verstummte sie. Ulfrich rannte weiter in die Richtung, in der er die Flöte vermutete, als er mit einem Mal keinen Boden mehr unter den Füßen verspürte. Er fiel in einen Felsspalt, aus dem er sich selbst nicht mehr befreien konnte. Nur wenige Augenblicke später wurde er von einer jungen Frau befreit, die ihn wohl schon beobachtet haben musste. Er befürchtete, die Besitzerin der Flöte vor sich zu haben, doch er konnte sich nicht wehren. Als sie ihn mit ihren grünen Augen anlächelte und ihm einen Kuss auf die Wange, war er ihr verfallen. Alle Angst verschwand und die Welt um ihn herum schien bedeutungslos. Er schlief in ihren Armen ein.
Als Ulfrich erwachte, fand er sich auf einem Bett wieder. Erschreckt setzte sich auf. Seine Retterin trat an sein Bett und beruhigte ihn. Ulfrich fragte: "Wo bin ich – wer bist Du – und wie hast Du mich hier hergebracht?"
"Mein Name ist Zessa und Du bist bei mir in Sicherheit. Meine Freunde aus dem Wald haben Dich hier hergebracht, nachdem ich Dich in einer Felsspalte gefunden hatte. Du brauchst keine Angst zu haben."
Ulfrich erinnerte sich. "Oh Schöne! Dank sei Dir für meine Rettung. Ich war auf der Suche nach …"
"Du warst töricht!" unterbrach ihn Zessa. "Du wärst schnurstracks dem Herrn des Drobvolks, Widder, in die Hände gelaufen. Hätte die Felsspalte Dich nicht gehindert –"
"Widder? Der Bocksmann? In der Tat war ich auf der Suche nach ihm. Er hat etwas, was nicht ihm gehört!" Erschöpft fiel Ulfrich aufs Bett zurück. Er tastete an seine Ohren. Das Schutzgerät war weg.
"Wo ---?"
"Deine Sachen liegen dort drüben. Das seltsame Ding, das Du auf dem Kopf hattest, ist jedoch in der Spalte verschwunden. Das wirst Du wohl nicht mehr wieder finden. Auch meine Freunde haben es nicht gefunden. Hier, trink diesen Trank von Rugara und ruh Dich aus." Damit gab sie ihm eine Schale mit einer warmen, nach Kräutern duftenden Flüssigkeit.
Ulfrich trank, während seine Gedanken sich überschlugen. Seine Mission war gescheitert, so nah am Ziel. Schließlich schlief er ein, entspannte sich und vergaß seine Sorgen.
So war Ulfrich in die Höhle des Druntvolks gekommen. Er lebte dort einige Zeit mit Zessa und den Kobolden zusammen und war glücklich. Dann, eines Tages, als er sein altes Hab und Gut betrachtete, fiel ihm seine Queste wieder ein. Da entschied Ulfrich, diese zu Ende zu bringen. Auch die Liebe, die er für Zessa empfand, konnte ihn nun nicht mehr daran hindern, aufzubrechen. Geschickt entging er fortan ihren Küssen und den Tränken, die sie für ihn braute, tat aber, als wäre er noch immer völlig verzaubert von ihr. Gleichzeitig erfragte er alles, was er über Widder, die Flöte und das Drobvolk erfahren konnte. Er hörte die Geschichte von Jôrund und erfuhr, wie Askla die Flöte ins Aelvkildeland brachte. Da er nichts genaueres mehr herausfand, bereitete er nun alles für seine Flucht vor.
Er stahl sich einige Kräuter und packte all seine Sachen, um sich heimlich wegzuschleichen. Nachts brach er auf, doch als er sich vor den Trollen versteckte, die die Höhleneingänge bewachten, hörte er sie über ihn sprechen. Er belauschte sie und was er hörte, gefiel ihm gar nicht. Er sei schon dreißig Jahre hier? Das konnte nicht sein. Und er altere nicht, weil Rugara ihn schütze? Er erinnerte sich an ein altes Lied und mit Schrecken dachte er daran, was passieren würde, wenn er Rugaras Schutz verließ. Er würde rasch altern, mit über fünfzig Jahren würde er womöglich schwach, krank und vergesslich werden.
Ulfrich entschied, noch ein paar Tage zu bleiben und sich eine neue Strategie zu überlegen. Er besaß ein Amulett, in dem ein Geist wohnte. Mithilfe dieses Amuletts konnte er sich zwar Erinnerungen erhalten, doch war dies sehr unzuverlässig. In seiner Kindheit hatte er gern ein Memorienspiel gespielt – dieses, verbunden mit dem Amulett würde ausreichen müssen. Also bastelte sich Ulfrich ein Memorienspiel: Einen Ledersack mit aufgezeichneten Kästchen. In jedes dieser Kästchen kann ein Gegenstand gelegt werden. Die Gegenstände in der richtigen Weise angeordnet, werden als Bild gespeichert und dieses Bild mit der Erinnerung verknüpft. Mithilfe des Bildes kann der Geist aus dem Amulett die Erinnerungen wieder zusammenfügen.
Am nächsten Morgen verließ Ulfrich die Höhlen und wie er befürchtet hatte, schwanden die Jahre und so auch die Erinnerungen. Mithilfe des Amuletts und der Gegenstände konnte er sich an sein Ziel erinnern und so kam er schon bald ins Aelvkildeland. Dort zog er von Hof zu Hof, bat um Unterkunft und horchte sich um. Die Flöte fand er jedoch nicht.
Vor vier Tagen kam er an eine Sandgrube. Dort gab es einen Unterstand und eine Feuerstelle, an der er rastete. Nach seiner Mahlzeit wurde er müde und legte sich ein wenig ins Heu. Er erwachte, als einige Kinder ganz in der Nähe lachten. Noch schlaftrunken packte er seine Sachen zusammen und lief in Richtung der Stimmen. Er ging über eine Brücke und stellte fest, dass auf der Lichtung auf der anderen Seite ein großer Gutshof stand. Dort kehrte er in der "Taverne am Ende der Welt" ein. Als er am nächsten Tag erwachte, wusste er nicht mehr, warum er hier war. Er griff nach seinem Memorienbeutel. Mit Entsetzen stellte er fest, dass dieser leer war. Seither sucht er nach den Gegenständen.