Die Geschichte des grünen Dschinnen

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Einst lebte ein einfacher Schuster mit Namen Muchtar im Lande Darian. Muchtar war in seinem Heimatdorf wohlbekannt als ein Künstler, der sein Handwerk auf’s Beste verstand und der selbst aus altem, schäbigen Leder noch ein paar glänzenden Stiefel zaubern konnte, die selbst des Sohnes Sohn noch zu tragen vermochte. Muchtar führte ein ruhiges Leben, kümmerte sich um die Aufträge seiner Kunden, die er alle mit Namen kannte. So mancher sagte ihm in aller Regelmäßigkeit, dass er doch mehr aus sich und seiner Handwerkskunst machen solle. Er solle doch einfach einen Sack mit nur ein paar seiner weniger guten Stücke packen und diese in der nahen Stadt verkaufen. Jene Stadtbewohner würden ihm ein jedes sicherlich sofort aus den Händen reisen. Je länger Muchtar solches hörte, desto öfter dachte er darüber nach, es tatsächlich einmal zu versuchen und so sagte er eines Tages zu sich: „Muchtar, versuchen musst Du es!“ Also machte er sich auf den Weg.

In seinem ganzen Leben war er noch nie in der Stadt gewesen und er erkannt auch sogleich warum. Überall waren Menschen, eine ganze Flut strömte durch die engen Gassen, mal hierhin, mal dorthin. Gerüche hingen in der Luft, die die Sinne betörten und die niemals zuvor seiner Nase guten Tag gesagt hatten. Am Marktplatz der Stadt, auf dem er mehr durch Zufall als aus Absicht gelandet war, breitete er seine Waren aus. Seine Freunde hatten wohl recht gehabt, denn es dauerte nicht lange und er besaß nicht einmal mehr eine einzelne Sandale. Dafür war sein Münzensäckel prall gefüllt. Als er gerade wieder aufbrechen wollte, riß ihn eine sanfte Stimme aus seinen Überlegungen, was er mit dem frischen Reichtum alles anfangen wollte. „Ihr sollt ganz wunderbare Schuhe verkaufen, sagte man mir.“ „Wenn man betörenden Rosenduft hören könnte, dann muss dies wohl der Klang sein, denn man vernimmt,“ dachte sich Muchtar. Er blickte auf und ihm schwanden fast die Sinne, so schön und bezaubernd war die Dame in deren Gesicht er blickte. „Nun, äh,...“ brachte Muchtar gerade noch heraus, bevor ihm die Stimme versagte. „Entschuldigt, mein Name ist Kumaira. Meine Nachbarin hat mir von Euren Waren berichtet. Ich bin so schnell zu Euch geeilt, wie ich nur konnte.“ Muchtar räusperte sich und antwortete: „Nun, meine Dame, leider sind meine Waren schon allesamt verkauft. Aber für Euch will ich morgen wiederkommen und ein paar Schuhe nur für Euch reservieren.“ „Dann will ich ebenfalls morgen zurückkehren“ Und so verabschiedete sich die Dame. Muchtar aber blickte ihr noch lange nach, konnte die Augen nicht von ihr lassen, so sehr fesselten ihn ihre Bewegungen bis sie schließlich in der Menschenmenge verschwand.

Zuhause angekommen machte sich Muchtar sogleich ans Werk. Es sollte ein paar Schuhe werden, wie er sie noch nie hergestellt hatte, fein und fest zugleich, schmeichelnd für Fuß und Auge. Er arbeitete die ganze Nacht hindurch und machte sich am morgen sehr früh auf den Weg in die Stadt. Wieder breitete er am Marktplatz seine Ware aus und wieder dauerte es nicht lang, bis alles verkauft war – bis auf jenes besondere Paar Schuhe. So mancher wollte ihm dafür jeden Preis bezahlen, doch Muchtar lehnte jedes Angebot ab. Er wartete auf Kumaira, doch die kam nicht. Er wartete den ganzen Tag, bis es schon Nacht war, doch keine Kumaira war zu sehen. Am nächsten Tag kam er wieder und wartete erneut, doch auch dann hatte er kein Glück. Tags darauf erging es ihm nicht anders, und auch nicht am Tage darauf oder an denen, die diesem folgten. Muchtar war betrübt, doch lies er den Mut nicht sinken und gab nicht auf, zumal seine Geschäfte auch jeden Tag gut liefen. Irgendwann trat ein Kerl namens Samir an seinen Stand heran. Er besah sich alle Schuhe genau und zu Muchtars Überraschung wußte er an jedem etwas auszusetzen. Sofort aber hatte er auch eine Belehrung parat, wie Muchtar das in Zukunft verbessern könnte. Muchtar erkannte schnell, dass die Worte leer an Bedeutung und reich in der Ausschmückung waren. Er unterhielt sich höflich mit ihm, war aber auch froh, als Samir nach einer halben Ewigkeit wieder von dannen zog. Am nächsten Tag, kaum war der kleine Stand wieder aufgebaut, da war auch Samir wieder zur Stelle und wiederholte seine Erklärungen, die er diesmal auf alles und jeden ausweitete, auf den Karren, der von einem alten Gaul an ihnen vorbeigezogen wurde, auf die Hüte der Passanten und auch auf diese selbst. Muchtar schwieg ihn an und schenkte ihm keine Antwort, doch Samir schien es gleich, als erwartete er so und so keine. Da begann es leicht zu regnen, ein Schauspiel das selten in der Stadt zu erleben war, war sie doch an einem trocknen Ort erbaut worden. Alle flüchteten sich unter ein Vordach, als Muchtar eines Regenbogens gewahr wurde, den er am Himmel über der anderen Seite des Platze entdeckte. „Ein Zeichen der Götter!“ sprach er vor sich hin. „Ach, Schnickschnack!“ entgegnete ihm Samir da. „Es ist doch nur das Licht der Sonne, das sich da in den Tropfen bricht, gleich wie in Edelsteinen! Geschenk der Götter! Ihr abergläubiger Baurensohn!“ Muchtar wollte ihm schon widersprechen, als er in der Richtung, wo er den Regenbogen erblickte, ein Glitzern sah, jetzt da all die Menschen Schutz vor dem seltenen Regen suchten. „Was tust Du denn, Bauernsohn? Du wirst Dich noch verkühlen!“ stachelte Samir. Das Glitzern kam von einem Edelstein, eingefasst in einen Ring, der dort am Rande einer Pfütze lag. Muchtar hob ihn auf, betrachtete ihn, doch nicht zu lang, das war schon Samir zur Stelle und nahm ihn. „Glas, kein echter Stein. Ist nichts wert.“ Es war das erste Mal, dass er seinen kleinen Stand verlassen hatte, um sich umzusehen. Vormals hatte ihn stets die Angst geplagt, Kumaira gerade dann zu verpassen, während er durch die Gassen der Stadt schlenderte. Er ging also durch den Regen an den anderen Ständen vorbei und wurde von jedem Händler behandelt wie ein König, als einziger Kunde, der offenbar das bisschen Wasser nicht scheute. Samir blieb zwar zunächst zurück und Muchtar hatte schon geglaubt, ihn losgeworden zu sein, doch dann kam er nach, sprang von Vordach zu Vordach und von Zelt zu Zelt, um nicht naß zu werden. Schließlich kamen beide einen Stand mit Kräutern, Gemüse und Obst. „Die sind doch alle nicht mehr gut. Seht nur, wie klein und matschig alles ist.“ Muchtar besah sich alles und konnte nicht erkennen, was Samir meinte. Vielmehr entdeckte er zwischen all den Früchten auch eine besondere, unscheinbar im Äußeren, doch heilsam im Innern. Er kramte sie heraus und machte dem Händler Zeichen, dass er sie kaufen wolle. „Da machst du aber keinen guten Kauf, Bauernsohn. Eine verschrumpelte Wurzel? Willst du die in ein Loch deiner Stiefel stecken, um sie abzudichten?“ höhnte Samir. „Ihr habt ja kein Ahnung!“ entfuhr es Muchtar. „Es ist Schicksal, der Wille der Götter!“ Samir zuckte nur die Schultern „Unsinn!“ Muchtar ignorierte ihn, bezahlte und schlenderte langsam wieder zu seinem Stand zurück.

Als er dort ankam, traute er seinen Augen nicht, er war beraubt worden! Bis auf das Paar Schuhe für Kumeira war alles weg. Irgend ein Halunke hatte seine Abwesenheit genutzt und auch die Geldkassette aufgebrochen und leer geräumt. Er hatte sie zwar unter ein paar Tüchern versteckt, doch offenbar nicht gut genug. Muchtar sah sich um, doch nirgend erblickte er eine Spur oder auch nur eine einzelne Menschenseele, die etwas gesehen haben könnte. Offenbar hatten sich alle vor dem Regen in ihre Häuser geflüchtet. In diesem Moment bog eine Wach von einer der großen Straßen auf den Marktplatz ein, der Muchtar sogleich sein Unglück erzählte. „Hm, ja, das ist wahrlich ein Unglück. Lasst uns ins Gerichtshaus dort hinüber gehen, da sind wir wenigstens im Trockenen. Dann kann ich auch gleich dem Richter Fattah von dem Verbrechen erzählen.“ „Ach, Bauernsohn, soviel kann in der Kassette doch nicht gewesen sein! Für deine Schuhe hast du doch sicher kaum ein paar Kreuzer bekommen,“ brachte sich Samir in Erinnerung, der hinter den beiden hertrottete. Im Gerichtsgebäude fanden sie in der Tat Richter Fattah vor, der besorgt nach draußen schaute. Er war tief in Gedanken und lauschte den Ausführungen Muchtars kaum. „Ich habe kaum mehr ein paar Groschen, seht her!“ Muchtar öffnete seinen Beutel und hielt ihn dem Richter entgegen, um seine Wehklagen zu unterstreichen. Plötzlich zeigte sich Überraschung auf dem Gesicht des Richters. Muchtar indess folgte ihm darin sogleich, hatte er doch nicht um die starke Wirkung seines fast leeren Beutels gewußt. „Wo habt Ihr das her?“ fragte der Richter und zeigte auf den Inhalt. Muchtar blickte selbst hinein und sah dort den Ring, den er auf dem Platz gefunden hatte. „Den habe ich gefunden, Herr!“ beteurte der Schuhmacher rasch. „Kumaira sucht ihren Ring schon seit einer kleinen Ewigkeit!“ „Kumaira? Ihr kennt sie?“ fragte Muchtar. „Aber natürlich, sie ist meine Tochter!“ entgegnete Fattah. Muchtar war ganz aufgeregt. „Dann soll sie ihn wiederhaben!“ „Das ist zwar rechtschaffen von Euch, doch muss ich euch berichten, dass sie im Moment nur wenig Freude über den Ring verspüren wird. Sie liegt nämlich in argem Fieber, kaum kann sie das Bett verlassen und wir alle fürchten, dass sie alsbald den Tod erleiden wird!“ „Guter Mann! Führt mich schnell zu ihr! Denn nicht weit von Eurem Haus wartete die ganze Zeit ihre Rettung!“ entfuhr es Muchtar. „Ich will ihr Heilung bringen!“ Samir hatte sich im Haus des Richters zurückgehalten, doch nunmehr entfuhr es ihm: „Heilung? Mit Lederaale und Schmierfett? Bleib bei deinen Leisten, Bauernsohn und maße dir nicht an, was du nicht bist!“ Doch Muchtar lies sich nicht beirren. Fattah brachte sie zu Kumaira, die leichenfahl in ihrem Bette lag. Sogleich nahm Muchtar die erstandene Frucht, presste etwas Saft heraus und träufelte sie auf Kumeiras Lippen. Nur wenige Augenblicke verstrichen, da schlug sie die Augen auf, immer noch schwach, aber doch sichtlich gebessert. „Jenes ist eine Frucht, die auf den Weiden meines Heimatdorfes zu Hauf wächst und die uns wider jedes Siechtum schon viele und gute Dienste geleistet hat,“ erklärte Muchtar. „Hätte ich das gewußt!“ flüsterte Samir und mühte sich, Muchtar die Frucht zu entreißen. Dabei stolperte er, fiel hin und verstreute den Inhalt seiner Taschen auf dem Boden: Münze um Münze rollte durch den Raum und entlarvten Samir als den Dieb, der Muchtar bestohlen hatte, der die ganze Zeit nur auf eine Gelegeneheit gewartet und sich dann auch noch über ihn lustig gemacht hatte. Eligst ergriffen ihn der Richter und die Wache und setzten ihn fest.

In den folgenden Tagen kümmerte sich Muchtar um Kumeira, gab ihr von der Frucht und so dauerte es nicht lange, bis sie wieder ganz gesundet war. Ihr Vater, der Richter Fattah, aber, war so glücklich, dass er Muchtar seine Tochter zur Frau gab.