Reisebericht und Aufzeichnungen zum Nordmarker Jahreslauf

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Findabair, Bardin und Magistra Musicae an der Universität zu Marola in Sedomee

Anreise und Unterbringung

Als Bardin ist man neugierig, als Gelehrte erst recht. So machte ich mich im späten Sommer des Jahres 28 nach Aximistilius III. auf den langen Weg in den Norden Heligonias, um ein Wort in Wissen zu verwandeln, das erst seit einigen Jahren – und auch dann nur als Gerücht – durch Heligonia geistert: der Pailat. Der edle Baron von Jolberg geruhte, mir die möglichen Wege dorthin zu erläutern, doch schien mir jeder davon mit tausend Gefahren gespickt: Ödländer, Steilwände, wilde Tiere und dazu ein außergewöhnlich raues Klima bereits zu dieser Jahreszeit machten offenbar schon die Anreise zu einem Abenteuer. Allein die Route entlang des Nordrands der Berge war offenbar die zuverlässigste, weshalb ich schließlich nach Norrland-Brassach wanderte. Als ich am Grenzposten Markwacht ankam und die ersten Nordmarker Flösser traf, die ebenfalls zu Fuß auf dem Rückweg in die Nordmark waren konnte mir niemand garantieren, dass wir unversehrt ankamen. Ich verpackte also meine Harfe und die anderen Instrumente mehrfach gegen Feuchtigkeit und Kälte und vertraute mein Leben den wenig vertrauenserweckenden Flößern und der Gnade der Wälder an. Die Tage vergingen langsam inmitten der dichten Wälder, den Regen- und gelegentlichen Schneeschauern, den deutlich vernehmbaren Wölfen und neugierigen Bären. Wir kamen kaum zur Ruhe in den kalten Nächten und tauschten dennoch viele Geschichten und Lieder aus. Schließlich erreichten wir Yaldering, die größte und einzige Stadt der Nordmark. Ich erholte mich einige Tage und bewunderte auch das lebensechte Denkmal des Barons von Jolberg, den „Mann mit der Laterne“, doch dazu später mehr. Zum Pailat, der geheimnisvollen Ordensburg, ging es nur noch zu Fuß weiter. Der Pfad durch die gefürchtete Vaittaschlucht wand sich immer höher in die Berge hinauf und ich erwartete ständig, von Bären, Wölfen oder sogar Brazachkatzen angegriffen zu werden. Die Flöte in meiner Hand gab mir zwar mehr Sicherheit, beruhigte mich aber nicht wirklich. Dann tat sich ein weites Hochtal auf, das von einem beeindruckenden Gebirgspanorama eingeschlossen wurde. Auf einem Fels inmitten der Talweitung thronte die mächtige Ordensburg des Pailat und zu ihren Füßen lag die uralte Ruinenstadt Galtur. Als ich näherkam, entdeckte ich zwischen den Mauern ein neues Gebäude, das sich als recht luxuriöses Gästehaus herausstellte. Man kann sich meine Verwunderung kaum vorstellen, als ich in dieser Einöde auf Rotwein, parfümiertes Badewasser und alte Ausgaben des Helios-Boten stieß... Leider war mein Aufenthalt in diesem erstaunlichen Haus nur kurz, denn man hatte mein Kommen - wie auch immer - bereits in der Burg gemeldet. So kam eine Abordnung von Mönchen herunter und sprach die förmliche Einladung aus, ihre Gastfreundschaft anzunehmen. Da es höchst unhöflich gewesen wäre, diese abzulehnen, nahm ich dankend und respektvoll an und ging mit ihnen in die Ordensburg hinauf. Ach, was habe ich später dieses Hotel vermisst! Das warme Wasser! Den Kamin! Aber weiter:

Ich wurde höflich empfangen und bekam ein eiskaltes Zimmer in der Hauptburg zugewiesen - und dabei war es doch noch Sommer... Der Blick aus der kleinen Fensteröffnung über das ganze Tal und die Berge war allerdings großartig und wird mir immer in Erinnerung bleiben!


Das Leben in der Ordensburg

Als erstes fiel mir auf, dass in der ganzen Burg viele Räume unbewohnt waren, sie sind sauber gekehrt, aber ohne Möbel und gänzlich leer. Obwohl so große Teile des Gebäudes verlassen sind, ist jedoch nichts verfallen oder wirkt vernachlässigt. Früher müssen wohl sehr viel mehr Menschen dort gelebt haben. Heute wohnen nur noch 49 Mönche auf dem Pailat, ihre Unterkünfte befinden sich alle im Westflügel der Burg. Im Haupttrakt in der Mitte liegt ein dunkler, alter Ratssaal, dazu Gemeinschafts- und Versammlungsräume und der Empfangsbereich. Gewirtschaftet und gekocht wird in den untersten Geschossen. Ganz oben befindet sich die uralte Ordensbibliothek, in der ich neben meinem Quartier die meiste Zeit verbrachte. Im Ostflügel dagegen versammeln sich die Ordensleute zum Gebet, dort sollen sich Andachtsräume, ein Heiligtum und ein Orakel befinden. Es wurde mir jedoch nicht gestattet, Genaueres darüber zu erfahren. Immer bei Sonnenaufgang werden von der Nachtwache im Westflügel zwei riesige Holzblöcke gegeneinander geschlagen, deren dumpfer Klang durch die ganze Burg zu hören ist. Dies ist für die Mönche das Zeichen, sich zur Andacht zu versammeln, das Gleiche wiederholt sich bei Sonnenuntergang. Leider wurde mir nie erlaubt, an so einer Andacht teilzunehmen.


Die Mönche waren immer freundlich und hilfsbereit, sie zeigten sich sehr interessiert an meiner Suche nach Geschichten und Überlieferungen über mein Volk und halfen mir, entsprechende Aufzeichnungen zu finden. Da die meisten Schriftstücke in uralten Sprachen und Schriften verfasst sind, war ich viel auf ihre Erklärungen und Übersetzungen angewiesen. Sobald ich allerdings tiefergehende Fragen zu ihrer eigenen Kultur und Vergangenheit stellte, wurden sie schweigsam, drückten sich allgemein aus und blieben zwar höflich, aber zurückhaltend. So musste ich mir Vieles selbst erschließen, aus Bemerkungen folgern und so manchem Mönch hartnäckig aus der Nase ziehen. Dabei waren mir die Erfahrungen im Umgang mit ostarischen Behörden eine große Hilfe...

Die Mönche selbst waren an allem interessiert, was zu unserem heutigen Alltag in Heligonia gehört, sei es das Leben der einfachen Leute oder des Adels, Politik und Staatswesen oder neuartige Erfindungen. Ich hatte den Eindruck, sie wollten alles aufholen, was sie in den Jahren ihrer Abgeschlossenheit versäumt hatten. Besonders neugierig waren sie, was die beiden großen Religionen betraf, also erzählte ich ihnen, was ich über das Oegdentum und die Ceriden wußte. Ich musste dabei sehr ausführlich darstellen, wie die Welt dort geordnet und erklärt wird. Die Geschichte von den Drachen, die Angaheym erschufen, kannten sie allerdings schon. Was die Musik betrifft – nun ja. Ich konnte kaum ein Stück spielen, ohne dass nach dem Wie, Warum und Woher gefragt wurde. Einfaches Zuhören ist ihnen ziemlich fremd. Ich wünschte, manche Bardlinge würden auch nur die Hälfte davon wissen wollen! So war ich also weit mehr am Erklären als am Musizieren...

Schon nach kurzem begann es stark zu schneien und es hörte wochenlang nicht mehr auf. Ich stopfte meine Fensteröffnung mit allem zu, was sich auch nur annähernd eignete, und doch fror die Tinte auf meinem Tisch ein. Die Talglichter rußten und nur die wenigen Gemeinschaftsräume wurden spärlich beheizt. Während die Ordensleute die Kälte regungslos ertrugen, freute ich mich jeden Tag auf das einfache, aber warme Essen, das die klammen Finger wieder etwas wärmte. Es mag zwar stimmen, dass eine gewisse Frische den Geist anregt, aber ich sehnte mich nicht nur einmal in die Wüste von Darian oder wenigstens hinunter nach Yaldering. Ich glaube, ich habe niemals mehr so sehr gefroren wie dort, und meine Aufzeichnungen bestanden bis jetzt nur aus dem Notwendigsten, da mir immer bereits nach wenigen Sätzen die Feder aus den Fingern fiel. Aber Barden sind zum Glück mit einem guten Gedächtnis gesegnet.


Zeitrechnung, Jahreslauf und Monatsnamen

Die Ordensburg wurde in ihrer heutigen Form etwa vor tausend Jahren errichtet, was lange vor der Einwanderung der Heligonier liegt. Darin gründete sich auch meine Hoffnung, dass ich im Pailat mehr über unsere Vorfahren, die Pruzzen und den Stamm der Anga, erfahren könnte. Die größte Schwierigkeit bestand allerdings vorerst in der Zeitrechnung. Es kostete mich einige verwirrende Wochen, bis ich begriff, dass man im Pailat die Jahre rückwärts zählt. Das ist umso erstaunlicher, da die Zeit ja bekanntermaßen vorwärts verläuft. Ein Punkt, der für die Problematistik von großem Interesse sein dürfte... Nun, offenbar hatte es vor 1000 Jahren eine Prophezeiung gegeben, die den Tag der Wiederentdeckung des Pailat voraussagte: eben jener Tag im Jahre 26, als Baron Jareck mit der Laterne vor der Tür stand! Da nun dieser Zeitpunkt genau feststand, begannen die Mönche einfach von 1000 an rückwärts zu zählen. Während dieser „Zeit der Tausendjährigen Prophezeiung“ gab es kaum Kontakte zur Außenwelt. Das Leben hatte sich wegen der ständigen Bedrohung durch die Ödlandbarbaren (wie die Ödländer dort genannt werden) nur auf die Burg und ein sehr abgelegenes Dorf namens Kamar hoch in den Bergen beschränkt. Da der Pailat, wie ich erfuhr, auf noch älteren Grundmauern errichtet wurde, und bereits vor 1000 Jahren eine derartige, die Gemeinschaft prägende Prophezeiung möglich war, kann man wohl davon ausgehen, dass dieser Mönchsorden wahrscheinlich schon viel länger besteht.


Der alte Kalender

Hielt ich die Zeitrechnung anfangs für kompliziert, dann nur deshalb, weil ich noch nicht die Bekanntschaft mit dem Kalender des Pailat gemacht hatte: Dieser richtete sich ursprünglich nach dem Mond und bestand deshalb aus 13 Monaten zu je 28 Tagen, was 364 Tage ergibt. Der fehlende Tag wurde immer am Jahresende angehängt, heißt „Herahim“ und ist bis heute einer der höchsten Feiertage. Dieser alte und überlieferte Kalender des Pailat wird „lunische“ Zeitrechnung genannt. Ich nehme an, dass den größten Bezug zu diesem Kalendersystem bei uns wohl die Saarkani haben dürften. Da nun aber im Jahr 26 – nach der Prophezeiung das Jahr 1 – der heligonische Kalender mit 12 Monaten eingeführt wurde, geriet wohl einiges durcheinander. Die eingewanderten Nordmarker vermischten beide Systeme, übernahmen hier einen Namen, dort einen Feiertag, und ich werde differenziertere Forschungen über dessen Entstehung besser interessierten Gelehrten überlassen. Was ich über die Monatsnamen des lunischen Kalenders herausfinden konnte, ist recht wenig: Einige Bezeichnungen stammen eindeutig aus dem bäuerlichen Umfeld, andere werden von den Mönchen schlicht als „altheligonisch“ bezeichnet, und über einige konnte ich gar nichts erfahren. Ich vermute, dass das lunische Prinzip vor der heligonischen Vereinheitlichung des Kalenders verwendet wurde, wenigstens hier im Norden. Einige Monatsnamen mögen auch daher stammen, andere tragen womöglich Teile einer noch älteren, längst vergessenen Sprache in sich. Aufgrund meiner Forschungen nehme ich deshalb an, dass diese Namen aus verschiedenen Kalendern stammen, die schließlich in einen zusammenflossen. Die Monatsnamen, die ich hier aufführen möchte, fand ich in einigen Schriften, die Anekdoten aus der Geschichtsschreibung enthielten, dazu befragte ich auch einen sehr alten Mönch namens Iklan Radomar. Dieser erklärte mir, dass das Jahr des Pailat mit dem Monat Batalidai beginnt, was unserer 3. Saarka entspricht. Erwähnenswert erscheint mir auch noch, dass an manche Namen das Wort „mond“ angehängt wird, an andere nicht, und bei einigen ist beides möglich. Iklan Radomar verriet mir jedoch keinen Grund dafür, er wollte eher von mir etwas über den heligonischen Kalender erfahren, als Wissen über den seinen preiszugeben. Gelehrte sind wohl überall gleich...

Die 13 Monatsnamen des lunischen Kalenders heißen:

Batalidai (Beginn: 1. Tag d. 3. Saarka) Offenkundig ist „Batalidai“ kein in der heutigen Zeit verwendetes heligonisches Wort. Da es auch den „Skrelidai“ gibt, vermute ich, daß „dai“ ein eigenständiger Wortteil ist. „Batali“ könnte auf etwas Jahreszeittypisches hinweisen. Mehr war nicht in Erfahrung zu bringen.

Erdmond Dazu fand ich in einer alten Schrift die Erklärung: „Rückkehr zur Erde“ und „Erste Aussaat der Bauern in der alten Zeit“. Möglicherweise deutet der Name auch auf einen alten Ritus hin, eine Art Wiedervereinigung mit der Erde? Ich habe auch von ähnlichen, überlieferten Bräuchen bei den Ogeden gehört.

Wiid Hier kann ich nur vermuten, dass es sich um ein Dialektwort handelt: In der 2. Poena blüht dort die Kätzchenweide, und die Bezeichnung der Mönche für diesen Baum hört sich ziemlich gleich an. Vielleicht bedeutet „Wiid“ einfach nur „Weide“.

Milchmond In einem alten Buch mit Märchen, Geschichten und Legenden konnte ich lesen, dass Milch früher als Sinnbild für die wachsende, wieder auflebende Natur stand. Ein wunderbares Buch! Allein dafür lohnte sich das Frieren.

Sonnmond Zur Herkunft dieses Namens bekam ich verschiedene Erklärungen: Die Zeit des langen (Tages-)Lichts oder der Monat der Sonnwende. Interessant ist, dass der Monat mit unserem ersten Helios zusammenfällt.

Feldmond Darüber war nichts zu erfahren. Wahrscheinlich leitet er sich von monatstypischen Feldarbeiten her.

Haurea (-mond) Haurea oder Orea ist ein altheligonisches Wort und bedeutet Aurazith. Vermutlich steht das Metall hier als Sinnbild für den Reichtum der beginnenden Erntezeit oder für die Farbe des reifen Getreides.

Königsmond Auch darüber erfuhr ich nichts. Mit einem heligonischen König kann es jedoch nichts zu tun haben, sonst hätte irgendwo etwas aus der Zeit nach der Reichsgründung verzeichnet sein müssen, was aber nicht der Fall war.

Skrelidai Die Bedeutung des Wortes „Skrelidai“ ist unklar. Die Endung „dai“ gleicht dem Batalidai. „Skreli“ könnte etwas mit der Ernte zu tun haben oder mit dem einbrechenden Winter.

Utra Keinerlei Anhaltspunkte. Der Name endet aber mit „ra“, wie in „Munra“

Munra Dazu fiel Iklan Radomar ein altes, nicht mehr gebräuchliches Sprichwort aus den Schriften ein: „Munra über Utra beginnt die Zukunft“. Wenn ich richtig verstanden habe, beschreibt man damit ein vorausschauendes Handeln nach schweren Zeiten, ohne zurückzusehen oder so etwas ähnliches. Was der alte Mönch damit genau gemeint haben könnte, war nicht herauszubekommen. Manchmal war er auch schon ziemlich verwirrt oder tat wenigstens so.

Kindmond Die Herkunft dieses Namens ist ziemlich schwer zu deuten. Der lunische Jahreslauf begann ja mitten im Winter: Das alte Jahr ging dem Tod entgegen, das neue war im Entstehen begriffen, und damit symbolisieren wohl die späten Monate das Alter, die jungen die Kindheit. Im Denken der Nordmarker liegen Leben und Tod sehr eng beieinander, und der Kindmond ist dafür ein gutes Beispiel. Sie gehören zusammen, durchdringen, bedingen sich und begründen einander. So kann ein Kind durchaus den Tod symbolisieren. In der Nordmark der heutigen Zeit gibt es deshalb keine Fröhlichkeit ohne einen traurigen Beigeschmack. Kein Familienfest vergeht, ohne daß auf die Namen der toten Verwandten ein Trinkspruch ausgebracht wird. Umgekehrt gibt es aber keine noch so bedrohliche Situation, der die Nordmarker nicht auch etwas Amüsantes abgewinnen können. Interessanterweise hat sich auch bei den “neuen“ Nordmarkern diese Haltung schnell gefestigt.

Xervis (-mond) Xervis ist ein altheligonisches Wort und bedeutet Prüfung, Zeit der Läuterung, aber auch Übergang. Das Wort „Xervis“ hat möglicherweise auch etwas mit „Wendepunkt“ oder „Grausamkeit“ zu tun. Leider half mir hier keiner der Mönche weiter, so daß ich insbesondere dieses Wort aus dem Kontext verschiedener Schriften erschließen mußte.

Herahim Herahim war im alten Jahreslauf ein wichtiger Festtag, der das alte vom neuen Jahr zugleich trennt und den Xervis mit dem Batalidai verbindet. Falls es eine Verbindung zum Ausdruck „Xervis“ gibt, so war sie leider nicht herauszubekommen.


Der neue Kalender

Wie ich oben schon geschrieben habe, hat sich nun bei den Nordmarkern der alte lunische mit dem neuen heligonischen Kalender vermischt. Offiziell gilt zwar derselbe Kalender wie im übrigen ogedischen Heligonia, aber im Alltagsleben der Siedler benutzt man jedoch entweder noch die alten Monatsnamen oder völlig neue, die sich die Nordmarker vermutlich selbst ausgedacht haben. Ceridische Monatsnamen konnten sich anscheinend nicht durchsetzen, was angesichts der starken ceridischen Verwurzelung der meisten Siedler ziemlich erstaunlich ist. Die Nordmarker sind zwar pragmatisch, legen anscheinend dennoch großen Wert auf Extrawürste... Um die Verwirrung komplett zu machen, werden die Jahre nach der ogedischen und der ceridischen Art gezählt, in der Bevölkerung setzt sich aber zunehmend die ceridische Zählweise durch. Das hat allerdings wohl weniger mit Glaubensfragen als mit Politik zu tun. Der Streit zwischen ceridischen Siedlern und Ogedischen „Herrschern“ folgt einer ganz eigenen Logik und ist ein anderes Thema. Ich nehme an, dass diese Rauflust mit der Abgeschiedenheit der Nordmark zu tun hat. Wenn niemand da ist, gegen den man sich verbünden kann, streitet man eben untereinander. Das ist in Angaheym ganz ähnlich.

Der Vollständigkeit halber hier die in der Nordmark gebräuchlichen Monatsnamen:

1. Helios: Sonnmond

2. Helios: Feldmond

3. Helios: Haurea (-mond)

1. Xurl: Skrelidai

2. Xurl: Jarecksmond Jareck von Jolberg beschloss bekanntlich im 2. Xurl des Jahres 26, daß die heutige Nordmark wieder besiedelt werden soll. Auch sonst scheinen die Nordmarker ihm sehr dankbar zu sein, man denke nur an die Statue.

3. Xurl: Munra oder Nebelmond Spätestens im 3. Xurl beginnen in den bewaldeten Tälern der Nordmark die Nebel aus den Wäldern zu steigen und es fällt der erste dauerhafte Schnee. Die Nebelbänke halten sich je nach Region den ganzen Winter über oft hartnäckig bis in die Mittagszeit oder gar den ganzen Tag. Vermutlich haben die Siedler den ihnen unbekannten Ausdruck „Munra“ deswegen durch die Bezeichnung „Nebelmond“ ersetzt.

1. Saarka: Kindmond

2. Saarka: Xervis (-mond)

3. Saarka: Batalidai oder Altneujahr Der in letzter Zeit zunehmend „Altneujahr“ genannte Monat war zur Zeit der „Tausendjährigen Prophezeiung“ ja der erste Monat des alten Jahreslaufs.

1. Poëna: Erdmond

2. Poëna: Wiid (-mond)

3. Poëna: Milchmond


Festtage in der Nordmark

Langsam begann es Frühling zu werden – das heißt, der Schnee kam nicht mehr waagerecht, sondern schaukelte zunehmend sanft zu Boden – und ich kopierte voller Vorfreude noch die letzten Schriften und Buchmalereien. Als schließlich die Kunde kam, der Weg nach Yaldering sei endlich wieder begehbar, packte ich meine neuen Schätze zusammen und verabschiedete mich von meinen freundlichen Gastgebern. Natürlich vergaß ich nicht, eine Gegeneinladung auszusprechen und meine Unterstützung für eine mögliche Forschungsreise durch Heligonia anzubieten. Über den Pailat und seine Bewohner gibt es in der Tat noch viel mehr zu erzählen und zu forschen. Mit dieser Schrift wollte ich dem geneigten Leser nur einen ersten Eindruck vermitteln, welche lohnenden Merkwürdigkeiten unser Reich dem Interessierten zu bieten hat!

Nach einem mehrtägigen Aufenthalt im erwähnten Hotel in Galtur, den ich größtenteils in heißem Badewasser und einem weichen Bett verbrachte, erreichte ich endlich Yaldering – zufällig genau zwei Tage vor einem Feiertag namens „Poënamorgen“, und die Vorbereitungen dazu waren bereits voll im Gange.

1. Tag der 1. Poëna: Poënamorgen Die Wirtsleute meiner Herberge luden mich sofort zu dieser Feierlichkeit ein, denn als Bardin könne ich doch sicher etwas Poënagefälliges beitragen, wie sie meinten. Da mir dieser Brauch noch unbekannt war – angeblich stammt er aus irgendeiner Gegend in Ostarien – sagte ich gerne zu. Vor allem die Ogeden in der Nordmark stehen an diesem Tag früh auf, wandern zu einer Anhöhe nördlich der Stadt und entzünden ein Feuer, um Poëna ins Land zu locken. Während der Zeremonie wird zunächst Saarka in Form der Nacht verehrt, dann Helios in Form des Feuers und Xurl in Form des Wassers, das aus Schnee geschmolzen und getrunken wird. Dann wird Poëna mit vielen Lobpreisungen, Liedern und Gedichten herbei gerufen, damit sie den langen Winter beendet. Waren die Gebete erfolgreich, und diese Einschätzung trifft offenbar jeder für sich selbst, wird entsprechend gefeiert, und so erfuhr ich, dass bald der große Markt in Yaldering stattfinden sollte. Die Yaltrach war noch voller Eisschollen und damit für eine Reise zu gefährlich, also beschloß ich, zu bleiben.

31. Tag der 1. Poëna: Burgenfest Der große Markt in Yaldering wird mit einer ostarisch-feierlichen und ziemlich patriotischen Ansprache eröffnet, und anschließend gibt es in allen Gasthäusern ein großes Festessen. Auch manche Privathäuser öffnen ihre Stuben am Abend für zahlende Gäste, um ausgefallene Gerichte feilzubieten. Da die Einwohner der Nordmark ja aus allen Gegenden Heligonias eingewandert sind, gibt es vielerlei Spezialitäten zu kosten, und es dauert eine ganze Weile, bis man sich einigermaßen durchprobiert hat. Begleitet wird diese „Wanderung“ von einem allgemeinen Besäufnis... Dabei erfuhr ich, dass ich unbedingt noch bleiben müsse, denn der kommende Wetttag sei das mit Abstand lustigste und spannendste Ereignis des ganzen Nordmarker Jahres. Also blieb ich.

20. Tag der 2. Poëna: Der Wetttag An diesem Tag verkleiden sich junge, unverheiratete Nordmarker als berühmte heligonische Persönlichkeiten, und so konnte ich da zum Beispiel Halfnet, Herzog Rolo, Pavo Rothner, die Krähe, Xurlsen Kielholer, Prinzessin Celia von Thal oder Inquisitor Valerianus entdecken. Den Teilnehmern werden dann verschiedene Aufgaben gestellt: So müssen sie etwa ein Wettrennen um den Vaittasee laufen oder möglichst viele hartgekochte Eier essen oder Stegreifgedichte aufsagen oder so schnell wie möglich ein Säckchen Erbsen zählen. Man kann auf die „Prominenten“ wetten und einen schnellen Dukaten zusätzlich gewinnen - oder verlieren. Wer einen Wettkampf gewonnen hat, darf sich für den Abend jemanden aus dem Publikum als Gesellschaft wünschen. Ich war etwas überrascht, als sich „Prinzessin Celia“ ausgerechnet für mich entschied. Nach einigen Schädelspaltern entpuppte sich die „holde Maid“ als einer der Flösser, die ich im Herbst zuvor kennen gelernt hatte. Wir unterhielten uns prächtig, und er erzählte mir, dass seine Freunde und er bereits mit den Vorbereitungen zum Siedlerfest beschäftigt seien, und ob ich nicht mitmachen wolle?

2. Tag der 3. Poëna: Siedlerfest Das Fest geht auf die Ankunft des ersten Versorgungstrosses mit Siedlern und Material zurück und stellt so eine Art „Gründungssage“ nach. Das Wichtigste ist dabei ein Bankett, bei dem jeder Anwesende gerne und laut seine ganz persönliche Einwanderungsgeschichte zum Besten gibt. Diese wird mit steigendem Biergenuß dann immer haarsträubender... Praktischerweise wird gleich in den nächsten Festtag hineingefeiert:

3. Tag der 3. Poëna: Ostarisches Bornbuchenfest (allgemein ostarisch) Wie im übrigen Ostarien wird bei diesem Fest der Holzreichtum gefeiert und die Arbeit der Holzfäller gewürdigt, man stellt allerdings nicht wie in Ankur eine Buche auf. In Leiana aber wird an diesem Tag ein reich geschmücktes Floß mit bestem Holz, wie etwa lange, gut gewachsene Tannenstämme aus Höhenwäldern für Schiffsmasten, auf den Weg geschickt. Das Holz darf der Tradition gemäß nur in Ankur verkauft werden. Zwei Tage später war die Yaltrach zum Glück eisfrei, so dass die Flößer endlich aufbrechen konnten. Keinen Tag zu früh, wie ich meine, denn es folgte eine Reihe ceridischer Feiertage, und „da ist die Länge der Gesänge zu lang für meines Ohres Länge“, wie mein Lehrer es einst ausdrückte. Man soll schließlich gehen, wenn es am Schönsten ist.

7. Tag der 3. Poëna: Offenbarungstag (allgemein heligonisch)

1. Tag des 1. Helios: Sommerfest und Tag der Erleuchtung (allgemein heligonisch)

19. Tag des 2. Helios: Fasttag zu Ehren d. hl. Eustachius (allgemein heligonisch) Darüber erfuhr ich bereits im Pailat Genaueres, denn erstaunlicherweise liegt den Mönchen viel an der strengen Auslegung dieses Fasttages, und sie unterstützen seine Einhaltung nachdrücklich. Gilt der Eustachius-Fasttag schon in Ostarien als streng, so halten ihn die Nordmarker mit geradezu extremen Regeln ein: Wer gesund ist, darf nichts essen oder trinken, solange es hell ist, außerdem darf kein Lebewesen an diesem Tag getötet werden und auch keine Pflanze! Tagsüber dürfen zwar alle Verrichtungen und auch die tägliche Arbeit wie immer erledigt werden, aber Zünfte, die mit dem Töten zu tun haben, müssen einen Tag Ruhe einhalten. Die Metzger etwa benutzen den Fasttag deshalb zum Großreinemachen. Abends findet dann ein feierlicher Gottesdienst vor der Kirche auf dem Gieshubel nahe Yaldering statt.

1. Tag des 3. Helios: Tag der Flößer in Leiana Über die folgenden Festtage kann ich nur berichten, was mir meine Wirtsleute und die Flößer erzählten, aber ich gehe nach meinen Erfahrungen mal davon aus, dass der Ablauf dieser Feierlichkeiten immer gleich ist, nur der Anlaß ändert sich. So ist der Flößertag eine Art sommerliches Badefest in der Yaltrach, bei dem die Flößer gefeiert werden, die um diese Zeit von der ersten oder zweiten Fahrt in den Süden zurückgekehrt sind. Abends gibt es dann gegrilltes Wildfleisch von einigen Feuerstellen direkt am Fluß, dazu werden abenteuerliche Geschichten erzählt, Musik gemacht und sicher eine Menge Bierfässer geleert. Gewichtige Gründe, das Fest irgendwann einmal persönlich zu erleben, denke ich.

20. Tag des 3. Helios: Große Armeeparade und Musterung in Yaldering An diesem Nachmittag werden alle Streitkräfte, also die Soldaten und auch die Bürger der Nordmark, von Obrist Sebald Roth, dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte, und Markwart Wistan vom Fahlfelt, dem Sicherheitsinspektor des Herzoghauses, inspiziert. Abends werden dann Empfänge und Bankette veranstaltet, Reden geschwungen und Hymnen gesungen. Den Beschreibungen zufolge muss es sich um ein ziemlich patriotisches Spektakel handeln.

21. Tag des 3. Helios: Großer Sommermarkt in Yaldering Ach ja, Markttag in Yaldering... der Tag nach der Armeeparade gehört dem großen Sommermarkt. Hier mischt sich der regelmäßige Jägermarkt mit einem Jahrmarkt, auf dem neben den Jägern auch Bauern, Handwerker und fahrendes Volk – sofern es den Weg in die Nordmark findet – ihre Waren feilbieten. Viele Aussteller haben auch allerhand Lustbarkeiten im Angebot. Sehr bekannt ist in diesem Zusammenhang das „Wüstenzelt“ der Mädchen vom „Stern von Darian“: Ein Hauch von Exotik für Flößer.

3. Tag des 2. Xurl: Jarecksnacht Ich frage mich, ob sich der Baron von Jolberg bewußt ist, was er da eigentlich ausgelöst hat... Da steht nun schon eine ganze Weile seine lebensgroße Statue am Ufer des Yalderinger Vaittasees und gehört inzwischen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Nordmark. Dass aber dem „Mann mit der Laterne“ ein ganzes Fest gewidmet ist, wußte ich bisher nicht: Abends treffen sich nämlich die Kinder von Yaldering unter der Statue, verkleiden sich als Jareck und wandern mit einer Laterne einmal um den See herum. Dabei treffen sie früher oder später auf einen ebenfalls als Jareck verkleideten Mann in einem wallenden, roten Wams, mit langen Haaren und braunem Rauschebart, der Geschenke verteilt. Auf einem kleinen Festmarkt gibt es noch mehr Spielzeug für die Kinder, die sich deshalb schon monatelang vorher auf die Jarecksnacht freuen. Am Abend wird dazu in den meisten Familien ein mehr oder weniger großes Festessen aufgetischt. An diesem Beispiel ist besonders gut die Entstehung eines Brauches oder einer Legende anhand einer wahren Begebenheit zu beobachten. Es wäre sicher interessant, diese Entwicklung einmal direkt vor Ort zu untersuchen. Ein nettes Thema für Exkursionen oder Magisterarbeiten...

15. Tag des 2. Xurl: Jagdtag, abends Feuerfest Ein Fest, bei dem die Jäger gefeiert werden, die mit reichlich Beute von den langen Treibjagden aus den Bergen zurückkehren. Es wird gegrillt, erzählt, gesungen und ...äh ja... gebechert – als Einstimmung auf den folgenden Tag:

16. Tag des 2. Xurl: Herzog-Rolo-Fest (allgemein ostarisch)

1. Tag des 3. Xurl: Totenmahl Dieser Brauch der Totenverehrung scheint auf die Zeit vor der Wiederentdeckung des Pailat zurückzugehen: Alle Familienmitglieder versammeln sich am Abend zu einem üppigen Essen. Geschlafen wird danach nicht in den Betten, sondern gemeinsam in der Stube vor dem Kamin, in dem das Feuer die ganze Nacht über brennen muss. Die Betten werden in dieser Nacht nämlich für die Ahnen freigehalten.

21. Tag der 1. Saarka: Lichterfest (längste Nacht/Wintersonnwende) Am kürzesten Tag des Jahres, dem ogedischen Saarkafest, wird vormittags wie gewöhnlich gearbeitet, nachmittags trifft man sich zu einem gemeinsamen Essen. Am Abend wandern die Nordmarker in einem Lichterzug durch alle Straßen und Gassen von Yaldering, und dabei ist es wichtig, dass jeder Winkel einmal beleuchtet wird, wahrscheinlich um die Dunkelheit zu vertreiben.

1. Tag der 2. Saarka: Tag d. hl. Hilarius (allgemein heligonisch)

30. Tag der 2. und 1. Tag der 3. Saarka: Altes Neujahrsfest, Weißer Tag Dieses Fest geht auf den ehemaligen Herahim (den Tag zwischen den Jahren) zurück und es hat sich daraus ein sonderbarer Brauch entwickelt: Man nimmt eine weiße Fahne, steigt auf ein Pferd und reitet durch die verschneite Landschaft. An jährlich neu gewählten Standorten sitzen die Leute ab, packen Instrumente aus und musizieren, jeweils ein ganz bestimmtes Stück. Abends wird das Stück dann in einer bestimmten Taverne oder einem Privathaus wiederholt. Wenn diese Volkswanderung dann endlich beendet ist, darf man sich bei weiteren Darbietungen aufwärmen und seine Fragen über Sinn und Unsinn solcher Veranstaltungen in Schädelspalter ertränken. Ich muss gestehen, dass ich mich darauf gefreut hatte, an diesem Tag den Pailat verlassen zu können, um mit den Mönchen an einem Fest teilzunehmen, das noch dazu viel mit Musik zu tun haben sollte. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, meilenweit durch tiefen Schnee zu stapfen und mir beim Spielen die Finger abzufrieren... Zu allem Überfluss war es dann auch kaum möglich, mir all diese Stücke zu merken, und am Abend war keiner mehr in der Lage, sie mir noch einmal deutlich vorzusingen. Wieder ein Grund, hier noch einmal genauer nachzuforschen, um was es da eigentlich geht. Möglichst im Sommer.

Zusätzlich zu all diesen Festtagen gibt es eine Menge Feiern, Gründungsfeste und Bräuche, die von Siedlern aus allen erdenkbaren Regionen Heligonias mitgebracht werden. Sie sind so unterschiedlich wie die Zuwanderer und werden jeweils von den aus einer bestimmten Landschaft stammenden Siedlergruppen gefeiert, was aber die übrigen nicht an der Teilnahme hindert. Feiern ist eine ausnehmend beliebte Freizeitbeschäftigung der Nordmarker.

Nun, dies soll ein kleiner Eindruck der Nordmark und des Pailat gewesen sein. Über Landschaft, Politik, Handwerk und den wichtigen Punkt der Verteidigung gegen die Ödlande gibt es und wird es andere Aufzeichnungen geben. Ich hoffe, dem geneigten Leser hier einen Eindruck der uralten Kultur des Pailat und der nordmarker Lebensweise vermittelt zu haben und stehe für weitere Fragen gerne zur Verfügung.