Zu den nicht ganz so Heiligen

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Das gestrichene Kapitel

„Eines der Gästezimmer ist dauerhaft Schwester Eva Gina überlassen. Wenn ein Mönch ein dringendes zwischenmenschliches Bedürfnis verspürt, darf er Schwester Eva Gina aufsuchen. Maximale Verweildauer sind zweieinhalb Stunden, maximal einmal pro Woche. Dispens für Stundengebete wird hierfür nicht gewährt.

Eines der Gästezimmer ist dauerhaft Bruder Sextus überlassen. Wenn eine Nonne ein dringendes zwischenmenschliches Bedürfnis verspürt, darf sie Bruder Sextus aufsuchen. Maximale Verweildauer sind zweieinhalb Stunden, maximal einmal pro Woche. Dispens für Stundengebete wird hierfür nicht gewährt.

Schafdarm ist verpflichtend und wird jeweils gestellt.“

Die Taverne

Im schönen Kreuzfuhrt am Rande des Luchtenwaldes in der Baronie Buchenfels liegt die Taverne „Zu den nicht ganz so Heiligen“. Sie gehört seit zehn Jahren dem Ehepaar Anderlin und Ludwigie Strassbeter sowie Ludwigies Vetter Hans Stiefel. Der Name spielt auf die Vergangenheit des Ehepaares an. Beide traten in jungen Jahren dem Orden der Hilariusiten bei und legten das Gelübde ab. Dem strengen Klosterleben nicht voller Inbrunst zugeneigt, wurden sie von ihren Oberen in die ceridische Gaststätte und Taverne „Der Heilige der ekligen Dinge“ positioniert, wo sie sich kennen und schätzen lernten – so sehr schätzen, dass sie den Orden letztlich verließen. Aus Mönch und Nonne wurden wieder Anderlin und Ludwigie, genannt Anderl und Wiggi. Die beiden übernahmen den reichlich abgewirtschafteten Gasthof „Zum Stiefel“ von Hans' Vater und krempelten alles um.

Heute ist „Zu den nicht ganz so Heiligen“ eine gelungene Mischung aus Kreuzfuhrter Tradition und ceridisch-hilariusitischen Elementen. Organisation, Küche und Ausschank liegen in den Händen von Anderl und Wiggi, Hans bringt Körperkraft und handwerkliches Geschick ein, bedient an den Tischen und kümmert sich um den Großteil der vielen kleinen Routinetätigkeiten.

Die Einrichtung besteht weitgehend aus Holz und ist recht rustikal gehalten, fängt aber dennoch den Blick, da jedes Möbelstück von Hans aus unterschiedlichen Brettern und Balken gezimmert wurde, so dass wie im „Heiligen der ekligen Dinge“ kein Tisch und keine Bank den anderen gleicht.

Die Wirtsstube wird einerseits noch von Relikten aus der alten Gaststätte wie Hirschgeweihen und einem übergroßen, mit Blumen bepflanztem Stiefel geschmückt. Anderes stammt aus der Ordenszeit der Strassbeters wie ein Kreuz oder Abbildungen des Heiligen Hilarius und des heiligen Furlan, der ein grünes Getränk in kleine Gläser ausschenkt. Außerdem finden sich Zeichnungen der mittlerweile drei Kinder des Paares.

Das Essen hat kaum etwas mit der abseitig-experimentellen Kost des „Heiligen der ekligen Dinge“ zu tun, ist aber deutlich origineller als das frühere dorfbürgerliche Wenigerlei. Am Hilariustag gibt es das Hilariusmahl nach Laune der Besitzer. Dies kann ein bewährtes Gericht aus anderen Teilen Heligonias sein, gerne auch kombiniert wie Thaler Festtagsblunz'n mit Escandrischen Bierzwiebeln oder eine optisch provozierend nach grauer Sträflingskost aussehende Eigenkreation, die sich als schmackhaftes Wildgulasch in Kirschsauce entpuppt.

Das Getränkeangebot ist klassisch mit Wasser, Säften, Tees und Kaffee, dazu an Alkohol selbst gebrautem Bier, weißem und rotem Hauswein und diversen Bränden. Es gibt zwei ungewöhnliche Spezialitäten, deren Rezepte Wiggi Bruder Libertin aus dem „Heiligen“ abgeschwatzt hat – obergäriges Hanfbier und einen Schnaps aus Wasserlinsen, die Scharfgrüne Ente.

Trotz ihres Austritts aus dem Orden haben sich Wiggi und Anderl einige ceridische Rituale bewahrt. Insbesondere feiern sie täglich zwei der klösterlichen Stundengebete, die für alle offen sind, die teilnehmen wollen. Vor Betriebsbeginn kurz vor Mittag findet die Vesperterz statt, die zwar zeitlich weder der klassischen Vesper noch der Terz entspricht, aber die ceridischen Früh- und Vormittagsgebete vereint. Nach Zapfenstreich (meist kurz vor oder nach Mitternacht) wird die Komplet begangen. Alle Gäste, die hieran noch teilnehmen wollen, erhalten ein großes Stamperl Scharfgrüne Ente auf Kosten des Hauses.

Die Stundengebete selbst orientieren sich lose an der Ordensliturgie. Die musikalischen Teile werden sehr frei interpretiert von Wiggis Sopran und Anderls Laute, untermalt durch Hans' dumpfe Basstrommel.

Kaum einer der Dorfbewohner vermisst noch die alte, von vielen als „Stinkstiefel“ verspottete Gaststätte. Die meisten sind stolz auf ihre besondere Taverne und auch von den umliegenden Gehöften und Ortschaften pilgert so mancher gerne und regelmäßig zu den nicht ganz so Heiligen,

Und das gestrichene Kapitel?

Das hängt als Mitbringsel an der Wand. Es wurde von unbekannter Hand einerseits in die Rohfassung der Tavernenbeschreibung des „Heiligen der ekligen Dinge“ eingeschmuggelt und andererseits dort im Kreuzgang an der Wand aufgehängt. Inhaltlich trifft nichts davon zu. Das Pamphlet spielte aber auf das offene Geheimnis an, dass Schwester Eva Regina und Bruder Sextus ihre Finger einfach nicht voneinander lassen konnten. Es war auch der letzte Anstoß dafür, dass die beiden den Orden verließen und sich wieder zurückwandelten zu Ludwigie-Wiggi und Anderlin-Anderl, bevor Bruder Libertin gezwungen gewesen wäre, seine Vorgesetzten zu informieren.

Das Paar schied aber im Guten aus Orden und Gaststätte und ist mit Libertin weiter in Kontakt und auf vertrautem Fuß. Libertin war es auch, der die Kirche davon überzeugen konnte, den neuen Namen der Kreuzfuhrter Taverne stillschweigend zu dulden. Schließlich leitet er ja selbst mit eigenwilligem Namen und Konzept eines der erfolgreichsten ceridischen Gasthäuser.

Auch Wiggi und Anderl haben seither bewiesen, dass man mit dem Ansatz eines fröhlichen, teils augenzwinkernden Ceridentums so manchen Gläubigen und auch nicht Gläubigen weitaus besser erreicht als mit der reinen strengen Ordenslehre.



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