Zur Junkerin
Turlach, Baronie Luchnar, Drachenhain
Ein wenig Geschichte
Bis vor 100 Jahren fühlten sich die wenigen Tiefländer, die sich nach Luchnar verirrten, oft fremd und verloren. Die luchnische Gastfreundschaft rettete zwar manchem von ihnen Gut und Leben, aber sie war sehr, sehr anders als alles, was man aus den heimischen Dörfern und Städten gewohnt war.
Das änderte sich, als nach dem Dorchiu, einer politischen Krise unter den Clans, Tiefländer als Verwalter eingesetzt wurden – ein Baron und mehrere Vögte. Die Vogtssitze in den drei Niochs an der Goirid, der alten Hauptstraße durch Luchnar hoben sich baulich deutlich ab und wenn ein Reisender dort klopfte, erhielt er Speis und Trank in einer recht hochklassigen Umgebung, die ihm meist deutlich näher lag als die Hochlandfeuer.
Heute ist die Zeit der Vögte vorbei, Hochland und Tiefland sind nicht nur räumlich näher aneinander gerückt und die Hochländer sind durchaus in der Lage, es den Reisenden angenehm zu machen Einzig in Turlach existiert noch eine Reminiszenz an die Zeit, da das noch anders war.
Die Wirtin
Margarete von Turlach ist die Nichte des letzten Vogtes von Turlach, Simuniel von Turlach, der noch lebt und als letzter den Titel noch führen darf, aber keine politische Macht mehr besitzt.
Schon als junge Frau interessierte sie sich für die gastfreundliche Betreuung Reisender auf der Aximistiliusstraße 1, die hier Rast machten – als einzige ihrer Familie, die dies ansonsten nichtadligen tiefland-hochländischen Bediensteten überließ. Für regelmäßig durch Luchnar Reisende ist sie deshalb seit langem das Gesicht derer von Turlach.
Als sich abzeichnete, dass das Vogttum enden würde, sah sie in der Gastbetreuung eine Möglichkeit für ein zukünftiges Auskommen und auch der Bewahrung einer gewissen Tradition. Sie lernte beim damaligen Koch und den anderen Verantwortlichen alles, was es zu lernen galt und wandelte letztlich die halboffizielle Gästestube in eine echte Gastwirtschaft um.
Der frühere Koch und die Bediensteten sind mittlerweile ins luchnische Tiefländerlehen Artir gezogen. Margarete von Turlach führt den Betrieb nun mit ihrem aus Tatzelfels stammenden Ehemann sowie Tochter und Sohn.
Die Gaststätte
Der ehemalige Empfangssaal des Vogtssitzes, der schon seit Jahrzehnten auch zur Bewirtung von Reisenden genutzt wurde, ist nun zur reinen Gaststube geworden. Die alte Einrichtung wurde durch weiteres Mobiliar im gleichen Stil ergänzt. Weiße Tischdecken verhüllen zum Gutteil die Intarsien der mächtigen Holztische. Die Stühle sind mit Hirschleder gepolstert, die hohen Lehnen mit rotem oder grünem Samt bespannt. Ein weit ausladender Lüster erhellt den Raum, dazu stehen Armleuchter auf den Tischen. Man tafelt von Schalen und Tellern aus fast schwarzem Holz und wenn das Besteck nicht aus Silber ist, so doch aus einer an Silber gemahnenden Legierung und die Krüge sind aus schwerem, verziertem Blei.
Die Atmosphäre ist also die eines (einstigen) Vogtsitzes, der sich nach außen präsentieren will; auch wenn dieses Bild nicht dem damaligen Alltag entspricht, aber das weiß kaum noch einer. Relativiert wird alles durch die meist recht bunte Gesellschaft der Reisenden auf der Aximistilusstraße.
Der Name „Zur Junkerin“ geht auf die inoffizielle Bezeichnung für die luchnischen Vögte als Junker zurück, diese war ursprünglich spöttisch gemeint. Dies ist im Hochland aber nicht mehr wichtig und Reisenden in der Regel nicht bekannt. Da es den Titel Vogt nicht mehr gibt, hat Margarete von Turlach beschlossen, den Begriff Junker zu übernehmen und positiv zu besetzen.
Essen und Trinken
Die Speisekarte bietet eine bunte Mischung traditionell-gutbürgerlicher mittelheligonischer Gerichte. Qualität und Zubereitung sind von gleichbleibend hoher Qualität, auch die Portionen sind für hungrige Reisende angemessen. Es finden sich auch wechselnde althergebrachte, aber in der modernen Küche etwas in Vergessenheit geratene Speisen. Exotischere Kost aus ferneren Gegenden oder hochländische Klassiker sucht man allerdings vergeblich.
Die Getränkeauswahl entspricht diesem Ansatz, das Sortiment an Weinen dürfte in Spitze und Breite das beste im gesamten Hochland sein. Anders als bei den Speisen werden auch Favoriten des Hochlands geboten, insbesondere unter den Spirituosen.
Der Grundgedanke Margaretes von Turlach ist letztlich, den Gästen Mahlzeiten zu bieten, wie sie sie in ihrer Kindheit und Jugend hier auf dem Vogtssitz regelmäßig genossen hat und das setzt sie konsequent um.
In der Zusammenschau könnte die „Junkerin“ auch ein gutbürgerlicher Gasthof überdurchschnittlich-gehobenen Niveaus in jeder größeren Stadt Mittelheligonias sein, mit nur wenigen abweichenden Details. Dies gilt auch für die Preise,
Die Gäste
Mittlerweile sind die meisten Tiefland-Hochländer in ihr neues Lehen Artir im Südwesten Luchnars übergesiedelt, in Turlachnioch leben fast nur noch Angehörige der Familie von Turlach, denen der ehemalige Vogtssitz immer noch gehört. Die MadRuadh von Turlach sind nicht sonderlich glücklich mit dem explizit tiefländischen Stil des Gasthofes. Margarete hat aber eine Begründung für ihr Konzept:
„Wir liegen an der Aximistiliusstraße von Jolbruck nach Escandra und die meisten Reisenden sind Tiefländer. Wer eine rein hochländische Taverne sucht, findet mit „Leroys Nicht-Schänke“ in Gwarras, dem nächsten Ort an der Straße nach Süden und mit dem „Schaf ohne Kopf“ in Tuachallnioch, dem nächsten Nioch im Norden ausgezeichnete Alternativen. Dort sind auch alle Tiefländer willkommen. Hier ist es umgekehrt. Reisende, denen das Hochland fremd oder vielleicht bedrohlich erscheint oder die einfach zu abgehetzt sind, um sich auf etwas Neues einzulassen, finden hier eine vertrautere Umgebung – weitgehend tiefländisch orientiert, so wie ich noch aufgewachsen bin. Und natürlich sind auch alle Hochländer willkommen.“
Es finden sich allerdings nicht viele Hochländer in der „Junkerin“ ein, eigentlich nur solche, die mit Mitgliedern der Familie von Turlach näher befreundet sind. Es gibt aber genügend Reisende auf der Aximistiliusstraße, die hier gerne und auch wiederholt einkehren.
Das Vogtsmuseum
Von der Eingangshalle vor der Gaststube geht ein Raum ab, den Margarete von Turlach etwas hochtrabend Vogtsmuseum betitelt hat. Hier werden im Wesentlichen Erbstücke der Familie ausgestellt, viele davon aus der Frühzeit des Vogttums derer von Turlach, einige auch noch aus der Zeit, bevor die Familie ins Hochland kam. Es handelt sich vor allem um Prunkgewänder, Schmuck und einige alte Dokumente. Wenige Ausstellungsstücke stammen von anderen tiefland-hochländischen Familien, darunter ein Faksimile des Heliosbriefes von Raklemo von Hautzensteyn, des ersten tiefländischen Barons von Luchnar und Großvater des jetzigen Barons Koldewaiht von Hautzensteyn. Es liegt auch ein Lese-Exemplar des Epos „Wie der Drach' den Wolf bezwang“ aus.
Das Museum ist abgeschlossen und wird nur auf Gästewunsch geöffnet, die dann eine kleine Führung von einem Familienmitglied der von Turlachs bekommen. Es wird eher selten besucht, aber Margarete ist es wichtig, die Erinnerung an eine Zeit zu bewahren, die fast vorüber ist. Ihr ist bewusst, dass man in einigen Jahrzehnten unter Tiefland-Hochland nur noch das neue Lehen Artir verstehen wird.
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