Sanais-Quartier
In Leiana, einer kleinen, als Holzfäller- und Jägereilager gegründeten Siedlung in der Nordmark, Ostarien, hat der geschätzte Reisende die Wahl zwischen gleich zwei gutgehenden Gasthäusern, dem ruhigeren Sanais-Quartier und dem etwas umtriebigeren überladenen Maultier. Ein Grund dafür mag die Kundschaft sein: Einerseits kommt auf Dauer kein Jäger oder Holzfäller ohne einen Ort aus, wo er sich nach getaner Arbeit erfrischen kann; andererseits ist Leiana für Reisende, die unterwegs nach Osten sind, der letzte Halt vor der Wildnis (respektive der erste Halt nach der Wildnis, wenn sie nach Westen reisen). Serviert werden in beiden Gasthäusern hauptsächlich Wild- und Pilzgerichte, Kräutertee, Beerenwein und -brände in durchweg guter, aber auch auffallend ähnlicher Qualität. Dabei scheint das Sanais-Quartier stets den ordentlicheren Eindruck machen zu wollen. Das Geschirr ist sauberer, der Kehraus pünktlicher, die Bedienung korrekter, die Gäste ruhiger und man scheint eher darauf bedacht, einem trinkfreudigen Gast den letzten Sumpfkräuterschnaps zu verwehren als entsprechende Ausschweifungen zu riskieren. Unter den auswärtigen Gästen halten sich hartnäckige Gerüchte, dass das Sanais-Quartier ein heimlicher Unterschlupf der Schwarzen Lilie sei. In den Augen aller Einheimischen scheint das aber völlig abwegig zu sein. Tatsächlich ist aber eine Verbindung zur fernen Freistadt Betis kaum zu übersehen. Die häufig wechselnden Bedienungen tragen meist Betiser Namen, auch das Essbesteck oder die schmucken Einrichtungstextilien (die in der Nordmark selten und meist importiert sind) scheinen offensichtlich mühelos den weiten Weg von der Brazachmündung herauf nach Leiana gefunden zu haben, an einer Wand im Schankraum hängt gar ein Gemälde, das eine Alltagsszene am Sanais-Kanal in Betis darstellt. Das Sanais-Quartier nimmt die komplette rechte Hälfte des einzigen Steingebäudes von Leiana, des Rathauses, ein. Versammlungen werden nicht selten im Schankraum abgehalten, und auch Familienstandesangelegenheiten werden stets hier vollzogen und gefeiert (für die wenigen heiratenden Ogeden ergibt sich das von selbst aus dem Bezug zu Sanais, der Schutzpatronin der Liebenden; den ceridischen oder gemischten Paaren hingegen ist die in der Nordmark ohnehin bedeutendere bürgerlich-bürokratische Amtseheschließung nach Herzöglich-Ostarischem Ritus) eine Herzensangelegenheit.