Jolborn
Der größte Strom des Reiches entspringt in den Drachenzinnen. Wenn man auch die Quellen des Jolborn noch nicht ausreichend erforscht hat, so wird doch allgemein angenommen, dass die Gesamtlänge des Flusses wohl annähernd 2000 heligonische Meilen beträgt. Aufgrund dieser Situation misst man die Flussmeilen des Jolborn seit alters her von der Mündung in Jewel aus.
Der Name
"Born" gilt als altheligonisches Wort für Quellfluss oder Quellwasser. Wahrscheinlich gaben ihm die ersten Siedler am Ufer diesen Namen, da er ebenso von den Dracconianern gebraucht wird. "Jol" dagegen ist ein Riese aus der altpruzzischen Sagenwelt um den Helden Utzgolf:
"Als er also den Beweis für Jols Betrug hatte, nahm Utzgolf Jols Speer mitsamt dem Riesen und seiner Frau und schleuderte alle zusammen weit fort, so daß der Speer mit aller Gewalt und der zusätzlichen Wucht durch das Gewicht der Riesen gegen ein hohes Gebirge donnerte und tief in den Felsen eindrang. So tief bohrte sich der Speer, daß alsbald ein Quell hervorzusprudeln begann und sich ein gewaltiger Fluß bildete. [...] Der Fluß, der durch Jols Speer entstand, heißt heute Jols Born oder eben Jolborn." (aus: "Utzgolf und der Riese Jol")
Der Jolborn als Grenzfluss
Der Fluss bildet die natürliche Grenze zum westlich gelegenen Königreich Dracconia: Von Norden nach Süden liegen die dracconianischen Lehen Sorshan, Nurian und Borngart an. Es findet überwiegend gewerbsmäßiger Fährverkehr statt, allein zwischen Herzogsbruck (Nurian) und Jolbruck (Drachenhain) gibt es seit jüngster Zeit die einzige bekannte Brücke über den Jolborn. Trotz der unsicheren Verhältnisse in Dracconia herrscht Frieden zwischen den Flussanrainern. Nicht zuletzt sorgt auch die Jolbornflotte der Ostarischen Marine für Sicherheit und die Bekämpfung des Schmuggels.
Der Jolborn als Handelsweg
Ein Fluss ist für gewöhnlich der schnellste Transportweg eines Landes. Der Jolborn sorgt mit seiner Breite, Schiffbarkeit und zuverlässigen Strömung für reichlich Handelsverkehr und beschert den Anrainern damit willkommene Zolleinnahmen. Bei einer möglichen Reisegeschwindigkeit flussabwärts von gut 160 HM pro Tag wird wohl kaum ein Händler auf langsame Ochsenkarren umsteigen. Wer allerdings wieder flussauf muss, zahlt den doppelten Preis: Ein schnittiger Segler brauch wahrlich günstigen Wind von Süden, und Rudern ist eine mühsame Angelegenheit. Deshalb gibt es am Fluss entlang immer wieder Treidelpfade, auf denen kräftige Pferde und Ochsen gegen Entgelt schwere Lastkähne stromauf ziehen.
Zollgebühren werden immer dann fällig, wenn man einen Hafen anläuft und dort Waren entlädt, außerdem Liegegebühren, Aufwandsgebühren für die Hafenmeisterei und so weiter. Speziell beim Jolborn kommen meist auch noch Grenzformalitäten hinzu.
Der Jolborn als Naturwunder
Nach der Schneeschmelze in den Drachenzinnen kündigt sich zu Beginn der Poëna-Monde das alljährliche Hochwasser an. Zahlreiche Zuflüsse aus der Nordmark und Dracconia verstärken die Wassermassen, auch der Brazach trägt einen großen Teil dazu bei. Die Welle erreicht schließlich Sedomee, wo bei ihrem Eintreffen ein großes Dankfest gefeiert wird. Der Fluss tritt dort über die Ufer, beschert dem Land Fruchtbarkeit und füllt die Wasserspeicher. Ohne diese alljährliche Überschwemmung wären Hunger und Not in Sedomee groß, deshalb wird das Geschenk Xurls mit Freudenfesten begrüßt, denn die Zeit des Überflusses beginnt. Auch in den Xurlmonaten, besonders nach starken Regenfällen, führt der Jolborn Hochwasser. Dieses ist jedoch nicht mit der alljährlichen Überschwemmung südlich von Waldroden zu vergleichen. Ausgesprochene Engstellen und Steilufer besitzt der Jolborn nicht, allerdings nimmt die Zahl der gefährlichen Sandbänke mit der Breite des Flusses zu. Landschaftlich besonders reizvoll ist das Knie bei Pogelsweiler in der Baronie Rebenhain, dort kann man einen wunderbaren Blick auf den Fluss genießen.
Von Nord nach Süd
Vjoshaven
Wir beginnen unsere Reise in Vjoshaven, dem ersten bekannten Ort nach den Quellen des Jolborn. Die Siedlung liegt auf einer Anhöhe und ist mit einer Mauer und Türmen umgeben. Am beeindruckendsten ist sicher der steinerne Drache, der auf einem Turm sitzend zu bestaunen ist. Das Tier hatte der Legende nach die Stadt angegriffen, bis Waroniel, der Schutzpatron der Barden, ein mächtiges Lied anstimmte und den Drachen in Stein verwandelte. Der Fluss ist hier etwas noch 50 Ellen breit und kann nur noch von den sehr flachen Drachenbooten der Vjoshavener befahren werden. Außerdem spricht Wjelkin der Lange in seinem Lied "Der Jolbornstrudel" von einem Phänomen, das wahrscheinlich zwischen Vjoshaven und der Leomark auftaucht und schon einige Reisende das Leben gekostet hat. Möglicherweise bildet sich der Strudel nur temporär, wahrscheinlich zu Hochwasserzeiten. Es empfiehlt sich deshalb, hier einen kundigen Führer an Bord zu haben.
Zwischen Vjoshaven und der Leomark kann es bei sommerlichem Niedrigwasser an manchen Stellen schon zu Problemen kommen, zur Sicherheit sollten sich Händler dann besser auf möglichst flache Kähne verlassen.
Leomark und Kratorpolis
Wenn man schließlich aus den tiefen Wäldern kommt, erreicht man am östlichen Ufer die beiden heligonischen Ansiedlungen Leomark und Kratorpolis, direkt an einer Flusskrümmung gelegen. Hier misst der Jolborn etwa 90 Ellen in der Breite, er kann gerade noch von Koggen befahren werden, wie es im Ödlandkonflikt geschah. Das Westufer ist über weite Strecken unzugänglich, da es auf einem anderen Höhenniveau liegt und aufgrund heimtückischen Sumpflandes große Gefahren birgt. Beide Siedlungen sind durch viele Jahre Krieg gegen die Ödländer gezeichnet, nur tapfere und wagemutige Siedler harren hier in der Einsamkeit aus. Wahrlich kein besonders einladender Ort, und doch der einzig gastliche auf mehr als 500 Meilen!
Lange folgt nun nur Steppe und Dorngebüsch, Ödnis und Gefahr, bis endlich die Gebirge der Baronie Nordmark auftauchen, hin und wieder trifft man hier bereits auf Holzfäller und Flößer. Wer die Grenze zu Ostarien passiert, sieht am Ostufer die erste Flussmarkung: Von hier aus sind es noch genau 1197 Flussmeilen bis zur Mündung in die Jolsee.
Ostarien
Am Ostufer des nun etwa 160 Ellen breiten Jolborn fährt man nun am Lehensgebiet der Abtei Dunkelstein entlang. Die letzten Ausläufer der Nordmark bestimmen das leicht hügelige Gelände, bis sich die Ortschaft Jolbingen (1142 FM) zum Fluss hin öffnet. Im Jahr 26 n.A.III begann man mit dem Ausbau des Hafens, da er die letzte Versorgungsstation vor dem Ödland darstellt. Die beiden nächsten größeren Häfen sind Jolberg (1062 FM) in der Baronie Jolberg und Veitsburg (920 FM) in der Baronie Soltran. Beide Häfen sind gut befestigte Stützpunkte der Jolbornflotte unter Großadmiralin Agatha von Oggnitz-Garstfelden. Veitsburg besitzt außerdem den ostarischen Hafen mit der größten Wassertiefe. Schiffe, deren Tiefgang für andere ostarische Häfen zu groß ist, müssen hier anlanden. Da beide Siedlungen stark durch den Fluss geprägt sind, findet man hier auch zahlreiche Fischerboote und Läden mit Schiffsbedarf. Die Landschaft am Ufer ist eher landwirtschaftlich geprägt. Das dracconianische Westufer dagegen ist auf dieser Höhe kaum besiedelt oder ausreichend erforscht. Durch einen starken Zufluss aus Dracconia nimmt der Jolborn auf der Strecke zwischen Jolberg und Veitsburg um gut 40 Ellen auf ganze 200 Ellen an Breite zu.
Drachenhain
Weiter südlich beginnt am Westufer das Herzogtum Sorshan, am Ostufer das Fürstentum Drachenhain. Über mehr als 200 heligonische Meilen entlang dem Jolborn erstreckt sich nun die Baronie Rebenhain. An der Wasserburg Freudenfeste, dem Sitz des Barons vorbei, fährt man auf die Hauptstadt Pogelsweiler (770 FM) zu. Das Ufer ist gesäumt von den Jolborn-Auen. Dieser etwa 5 bis 8 Meilen breite, sumpfige, von vielen Bächen, kleinen Seen und Nebenläufen des Jolborn durchsetzte Waldgürtel zieht sich von hier bis zur nordöstlichsten Spitze Rebenhains. Nach Pogelsweiler erblickt der Reisende zahlreiche Weinberge, an denen das so beliebte Traubenblut gedeiht. Die nächsten 70 Meilen des Flußlaufes begleitet uns der Trüffelforst, der hier sumpfig und schwer begehbar ist.
Nun erreichen wir die Baronie Jolbenstein, die auf gleicher Höhe mit dem dracconianischen Herzogtum Nurian liegt. Zwischen der Hauptstadt Jolbruck (620 FM) und dem nurianischen Herzogsbruck wurde im 2. Saarka 34 n.A.III mit einem großen Fest die Steinbrücke eingeweiht, die seitdem beide Reiche über eine Flussbreite von 210 Ellen verbindet. Die zwölfbogige Brücke besitzt in ihrer Mitte zwei hölzerne Schwenkarme, die es auch größeren Schiffen erlauben, das Hindernis zu passieren. Jolbruck besteht aus drei Teilen, der Oberstadt, der Unterstadt und dem Hafen. Ober- und Unterstadt sind mit je einer Befestigungsmauer umgeben, so dass zwei ineinander liegende Ringe entstehen. Vom Jolborn aus kann man gut die Hochschule und die Besitztümer der Fürstenfamilie zu Drachenhain erkennen. Auch der Hafen wurde ausgebaut und beherbergt eine der drei fürstlichen Werften.
Brazachzufluss
Ab hier mündet nun der Brazach in den Jolborn, und es erstreckt sich ein über 90 Meilen breites Delta. Der Reisende kann nun ganz nach seinen Wünschen einen Flussarm wählen, je nachdem, ob er den Brazach hinauf nach Escandra möchte, die schöne Stadt Betis im südlichen Delta besuchen oder weiter dem Lauf des Jolborn nach Süden folgen will. Mehr zu diesem Delta findet der geneigte Leser in der Abhandlung zum Brazach.
Genau am Flussmeilenstein 500 befindet sich Bornstadt, eine Stadt im dracconianischen Herzogtum Borngart.
Thal
Unterhalb des Brazachdeltas beginnt die Baronie Welzen und damit das Fürstentum Thal. Der sehr wasserreiche Brazach hat den Jolborn nun auf stattliche 260 Ellen verbreitert. Die Hauptstadt Welzens ist Wulfenstein an der Flussmeile 464. Burg Wulfenstein liegt auf einer in den Fluß hinein ragenden Klippe und überragt den Hafen, einem Umschlagplatz für eigene Waren und Güter aus dem Norden und Süden Heligonias. Zur Sicherung des Hafens kann eine Sperrkette unter der Wasserlinie gespannt werden, zusätzlich sind zugespitzte Pfähle in den Flußboden gerammt, weshalb ein- und ausfahrende Schiffe einen Lotsen benötigen. Wulfenstein bestreitet wie viele andere Häfen seinen Unterhalt unter anderem aus dem Warenumschlag mit den umliegenden Dörfern, einer Werft für Flußschiffe, aus dem Fernhandel durch den Schiffsverkehr und den dadurch entstehenden Lotsengebühren und Binnenzöllen.
Viele Meilen wird das Ufer nun von fruchtbaren Landstrichen geprägt, bis die großen Waldgebiete der Provinz Waldroden beginnen. Waldroden (290 FM) ist zugleich auch die größte und einzige Stadt der Provinz. Noch vor wenigen Jahrzehnten schlossen sich dichte Wälder um die Stadt, doch um Ackerland und Baugrund zu gewinnen, wurden weitläufige Rodungen geschlagen. Die Stadt selbst besteht aus soliden Steinbauwerken mit Schilfdächern und verfügt über gepflasterte Straßen. Als wichtiger Hafen birgt Waldroden auch riesige Speicher und große Lagerhäuser. Der Hadebold-Hafen wurde von einem Urahn des Barons vor vielen Jahrhunderten so ausgebaut, daß die mächtigen Flöße ausreichend Platz zum Ablegen haben. Die üppigen Baumbestände der Baronie werden so stromabwärts in die waldärmeren Gegenden Heligonias befördert.
Sedomee
Der aufmerksame Reisende bemerkt nun, dass sich Wassertemperatur und Uferflora langsam verändern, denn wir nähern uns der Freigrafschaft Sedomee. Der Jolborn wird hier zu einem über 300 Ellen breiten Strom, der träge in die südliche Ebene fließt. Die erste wichtige Hafenstadt ist Jalamanra (250 FM) in der Baronie Calena. Hier ist bereits die alljährliche Jolbornüberschwemmung deutlich zu spüren: Die Wassermassen werden dann über ein Kanalnetz direkt in Sammelbecken geleitet, deren Wasservorräte das ganze Jahr über der Bewässerung dienen, denn im Winterhalbjahr ist die Grafschaft hier nur selten mit Regenfällen gesegnet. Direkt am Fluss gelegen, bietet die stark befestigte Handelsstadt Jalamanra mit ihren kunstvoll gestalteten Bauwerken, Arkaden und Terrassengärten einen prächtigen Anblick. Das Bild der freundlichen Stadt ist durch den prunkvollen, stets belebten Hafen, die bunten Märkte und zahlreichen ogedischen Heiligtümer und Schreine geprägt.
Um Jalamanra befinden sich schwer passierbare Untiefen und Stromschnellen, was es dringend erforderlich macht, einen ausgebildeten Lotsen an Bord zu nehmen. Die Flusswachen und deren Begleitboote kommen aus dem Bindar-Clan, der für das sedomeesische Transportwesen verantwortlich ist.
Am dicht besiedelten Ufer entlang sieht man nun große Anbaugebiete der Papyrospflanze. Aus ihr werden hochwertige Papyri für die Schreibstuben, Heiligtümer und Universitäten des gesamten Reiches hergestellt. Außerdem sieht man Äcker mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen, Pinienwäldern, Ölbaum- und Olivenplantagen.
Als nächstes erreicht man Shamanka, genannt die "Holzstadt" (180 FM). Sie liegt inmitten von Zedern- und Sandelholzwäldern, die Häuser sind auf Pfählen erbaut und mit reicher Schnitzkunst versehen. Shamanka ist für kunstvolle Möbel und die verschiedensten Arten von Räucherwerk berühmt. Von hier bis zur Mündung des Jolborn ist das jährliche Hochwasser am ausgeprägtesten. Es erlaubt den Anbau aller Arten von Gemüse und Getreide und ermöglicht bis zu drei Ernten im Jahr. Die Sedomeesen erklären diese Überschwemmung mit der Legende von der Mondkatze.
Entlang des weiteren Jolbornufers finden sich zahlreiche Handels- und Versorgungsstationen, die mit ihren Gaststätten und valmeranischen Badehäusern zur Entspannung einladen und Gelegenheit zu neuen Handelskontakten bieten.
Kurz vor dem Delta misst der Jolborn bei normalem Wasserstand etwa 360 Ellen in der Breite. Er ist stellenweise sehr flach und mit Sandbänken durchzogen. Am einzigen Flussarm, der auch von größeren Schiffen befahren werden kann, liegt am Flussmeilenstein 20 die alte Handelsstadt Jewel. Von hier aus wird ein großer Teil des heligonischen Außenhandels abgewickelt, was von der Lage Jewels begünstigt wird, das von den geschicktesten Architekten des Sefardi-Clans hoch auf den Uferfelsen angelegt wurde. Den Schutz durch die schroffe Uferlandschaft ergänzen auch die gefährlichen Strömungen und Felsen am Ostarm des Deltas, die Schiffe nur mit Hilfe der bewährten Lotsen aus der Familie der Selenai-Arean unbeschadet passieren können. Sie führen die Schiffe sicher in den Hafen, wo sie bereits von den zahlreichen Handelsniederlassungen erwartet werden.
Das Delta
Die letzten 20 Flussmeilen sind von einem weitläufigen Delta geprägt, das sich langsam in der Jolsee verliert. Irgendwo hier steht auch der erste Markstein der Flussmeilen, doch niemand weiß genau zu sagen, wie weit er vom Ufer entfernt ist. Zuviel Sand und Schlamm hat der Jolborn seit der ersten Vermessung mit sich geführt und seine Mündung damit ins Meer hinaus geschoben. In den feuchten Wiesen und Schilfgürteln des Jolborn-Deltas tummeln sich zahlreiche Froscharten und Wasservögel. Es folgt niedriges Gras auf sanften Dünen, bis sich die helle Farbe des Jolborn zwischen zahllosen Sandbänken schließlich mit dem tiefen Blau der Jolsee vermischt.
Josephina von Drachenhain, Erwählte des Xurl