Sarniant
Die kleine Stadt Sarniant, Hauptort und Regierungssitz der Baronie Wolfenfeld, liegt am Brazach, etwa auf halber Strecke zwischen Betis und Escandra. Der sonst so ruhige Brazach zwängt sich dort durch eine Engstelle, was eine gefährliche Strömung und plötzlich auftretende Strudel zu Folge hat. Lastkähne und Handelsschiffe, die mit ihren Waren in die Hauptstadt unterwegs sind, müssen hier ein gutes Stück getreidelt werden, bis sie wieder in ruhiges Wasser gelangen. Schiffe, die stromabwärts kommen, sind verpflichtet, vorher einen Lotsen an Bord zu nehmen, der die Tücken der Strömung genau kennt. Dies war vermutlich der Grund, warum sich hier erstmals Menschen ansiedelten.
Als im Jahre 374 v.A.III Ardan von Drachenhain, erster Baron von Wolfenfeld, hier eine kleine Burg erbaute, wollte er damit nicht nur die Grenzen Drachenhains festigen, sondern er hatte auch erkannt, dass sich hier zu Wasser und zu Lande zwei wichtige Handelswege kreuzten. Um den langsamen Fährbetrieb zu umgehen und die Gewalt der Strömung zu brechen, ließ er in langjähriger, mühevoller Arbeit von den besten Architekten und Steinmetzen eine Brücke über den Brazach errichten. Dieses Bauwerk wurde und wird bis heute als solches Meisterwerk angesehen, dass die kleine Siedlung den Namen "Sarniant" erhielt. Das einfache Volk nennt den Ort seit Menschengedenken "Stoabruck", was lediglich eine schlichte Übersetzung des gelehrten Namens in den Drachenhainer Dialekt ist. Ardan nahm daraufhin die dreibogige Brücke in sein Wappen auf.
Die Brücke konnte zwar die Gefährlichkeit des Brazach ein wenig mindern, aber wenn am Ende der Saarkamonde das Schmelzwasser eintrifft oder heftige Regenfälle auftreten, muss die Durchfahrt manchmal für eine Woche oder länger gesperrt werden. Immer wieder ignorieren leichtsinnige Kapitäne und profitgierige Händler die Warnungen und es gibt Todesopfer zu beklagen. An den Hochwassertagen bricht die Strömung mit solcher Gewalt an den Brückenpfeilern, dass das Tosen im ganzen Ort zu hören ist. Über der Stadt hängt dann ein weißer Gischtschleier, der zwar ein malerisches Schauspiel ist, Sarniant aber den sprichwörtlichen Ruf eingebracht hat, der rostigste Platz in ganz Heligonia zu sein. Die Zeit des Hochwassers ist auch die Zeit der großen Xurl-Prozessionen, die den Herrn der Wasser besänftigen sollen. Auch jeder Lotse opfert dem Flusskönig, bevor er zur Arbeit geht, und bittet um glückliche Heimkehr.
Neben einer Steinmole und einem Hafen mit Lagerhäusern und Kontoren gibt es noch zahlreiche Handwerksbetriebe und natürlich etliche Wirtshäuser verschiedener Preisklassen. Der bekannteste und teuerste Gasthof ist der "Flusskrebs", in dem auch wichtige Persönlichkeiten einzukehren pflegen. In der Stadt ist eine Besatzung stationiert, deren Aufgabe sich hauptsächlich auf das Bewahren von Recht und Ordnung und die Überwachung der Handelszölle und des Grenzverkehrs beschränkt.
Als im Jahre 26 n.A.III. das 400jährige Gründungsfest gefeiert werden konnte, gewährte Seine allerdurchlauchtigste Majestät Helos Aximistilius III. der Marktgemeinde die Stadtrechte. Diese wurden Sarniant in einer feierlichen Zeremonie im Rahmen eines viertägigen Festes verliehen. Seitdem erlbt die Stadt tiefgreifende Veränderungen: Ein Stadtrat und eine eigene Wache wurden eingesetzt, zahlreiche Handwerker und Kaufleute siedelten sich an, eine Stadtmauer wurde gebaut, Zünfte gegründet. Als Fürst Waldemar schließlich auch noch den Ausbau des kleinen Hafens zu einem Flottenstützpunkt mit Werften und Lagerhäusern beschloß, wird allerorten gebaut, erweitert und geplant.
Die Burg
Die Burg wurde 374 v.A.III. von Ardan von Drachenhain errichtet. Sie steht auf einer Felsnadel am Beginn des Brazachtales, um die herum sich die Stadt Sarniant ansiedelte. Im Laufe der Jahre kamen ein innerer und ein äußerer Hof dazu. Wunjo von Drachenhain ließ 3 n.A.III. den Dachboden des Haupthauses entfernen und gab so den Blick auf das kunstvoll verstrebte Dachgestühl frei. Nach dem Niederreißen einer Trennmauer schuf er damit einen hohen und geräumigem Festsaal. Eine Galerie, die auf der Höhe des ehemaligen Dachbodens verläuft, verbindet nun Bergfried und Pallas, eine Holztreppe führt in den Saal hinunter.
Am Eingang des Haupthauses befindet sich der "Rote Stein", ein kleiner, fast runder Felsbrocken von blutroter Farbe, von dem es heißt, er sei vor Urzeiten vom Himmel gefallen. Er wurde neben der Tür eingemauert und seine Berührung soll allen, die die Burg wieder verlassen, Glück bringen.
Am Treppenaufgang zum ersten Stock ist eine weitere Merkwürdigkeit zu sehen: An der Ecke zum Festsaal ist eine kleine, seltsam geformte Steinfigur befestigt, von der niemand weiß, wen sie darstellen soll. Kopf und Schultern sind mit der Mauerkante verbunden, die Nackenlinie jedoch bildet mit der Wand eine kleine Öse, die immer mit einem Büschel Stroh verstopft ist. Jeder achtet darauf, dass dies immer der Fall ist, denn einer alten Sage zufolge würde sonst großes Unheil daraus entstehen. Schon den Kindern schärft man ein, die Finger von der Figur zu lassen. So blicken meist alle nur mit Scheu hinauf zum "Strohfresser". Ein altes Gerücht besagt auch, dass von der Burg ein Fluchtgang in die Stadt führen soll, aber niemand kennt Ein- oder Ausstieg.
Das Xurl-Heiligtum
Der Schrein des Xurl liegt auf einer Hügelkuppe über dem Markt, am Beginn der Brazachenge. Anfangs nur als Garten Poënas angelegt, wurde er bald zu einem Ort der Verehrung des Flusskönigs. Da man bei Grabungen eine unterirdische Quelle entdeckte, deren Wasser sich als heilkräftig erwies, entwickelte sich der Schrein zum Ziel vieler Kranker und Hilfesuchender. Als Baronin Josephina aufgrund ihrer Weihe zur Erwählten das Amt der Vorsteherin übernahm, erfuhr das Heiligtum eine umfassende Renovierung und Erweiterung. Neben dem Opferstein, den 21 Menhiren und 9 Obelisken, gibt es dort nun komfortable Gäste- und Pilgerhäuser, Wohnungs- und Behandlungsräume für die Geweihten, eine kleine Bibliothek und eine Wandelhalle mit Darstellungen der Götter und Schutzpatrone. An der Hauptstraße entlang befinden sich die Gräber der meisten Herrscher von Wolfenfeld, gleich daneben wächst die junge Esche, die aus Anlaß der Neuweihe 25 n.A.III. gepflanzt wurde. Das Brunnenhaus aus Blausteiner Marmor spendet jedem das begehrte Heilwasser, das auf geheimnisvolle Weise nach oben gebracht wird; die komplizierte Mechanik dazu ist jedoch nur wenigen bekannt. Angeblich gibt es noch einige unterirdische Räumlichkeiten, über die aber nur die Geweihten selbst Bescheid wissen dürften.