Nordmarker Straßen und Wirtschaftsgefüge
Galbart Wagenmeister, Vogt zu Yaldering
Es gibt auch Straßen in der Nordmark. Eine Straße, die Salzstraße, führt von Malderpod über Yaldering nach Leiana. Es ist eine alte Straße, die es schon gegeben hat, als noch niemand von uns in der Nordmark gesiedelt hat. Allerdings war sie anfangs ziemlich zugewachsen. Aber jetzt ist sie ganz schön und so breit, daß man sehr bequem mit einem Gespann darauf herumfahren kann. Man transportiert zum Beispiel Salz von Malderpod nach Yaldering, wo es gefäßt wird, wie wir sagen, und dann transportiert man es weiter nach Leiana, dort wird es dann von den Flößern auf der Yaltrach weitertransportiert, die östlich von Leiana mit Flößen befahrbar ist, wenn das Wasser nicht zu hoch oder zu niedrig ist und nicht gefroren. An den Norrland-Brassachischen Grenzanlagen muß man übrigens aufpassen, daß man nicht für einen Ödländer gehalten wird, sonst ergeht es einem schlecht.
Eine andere Straße ist der Jarecksweg. Er ist, wie der Name schon sagt, keine Straße, sondern ein Weg und der Name kommt von Jareck von Jolberg, der ihn als erster von uns benutzt hat. Der Jarecksweg führt von Yaldering zum Pailat hinauf durch die Vaittaschlucht und an allerhand steilen Felsen vorbei und er ist schwierig in der Instandhaltung und mit der Begehbarkeit, vor allem im Winter, wenn es schneit. Man benutzt ganz gerne Maultiere auf dem Jarecksweg, weil er so schwierig zu begehen ist.
Es gab auch einmal eine Straße von der anderen Seite, von Arnach über einen Gebirgspaß zum Pailat hinauf. Nach alten Überlieferungen muß sie wohl früher einmal „Nördliche Heerstraße“ genannt gewesen sein. Aber sie ist leider total kaputt und zerfallen und man benutzt diesen Weg nur, wenn es nicht anders geht, weil er sehr gefährlich ist und schwer zu finden und im Winter sowieso völlig unpassierbar wird. Bisher ist man dort, wenn überhaupt, nur zu Fuß gegangen. Aber manche Leute benutzen ihn recht häufig.
Der Weg, der von Norrland-Brassach nach Leiana führt, ist eigentlich kein Weg, sondern nur so eine Art Reiseroute. Da es aber keinen anderen Weg gibt, benutzen ihn die Leute meistens doch. Normalerweise braucht man einen Führer und ein paar Söldner, weil er sehr gefährlich ist und schwer zu finden, unglücklicherweise gibt es viele wilde Tiere und Räuberbanden, aber in letzter Zeit nicht mehr so viele Ödländer. Dafür ist es im Winter ziemlich kalt und tief verschneit, so daß man lieber wartet, bis es wieder ein bißchen wärmer wird. Einmal hat es einen Versorgungszug gegeben, der mit großen Gespannen auf diesem Weg unterwegs war. Aber seither begeht man ihn nur noch mit Maultieren, die überhaupt sehr praktisch sind. Sie tragen fast soviel wie zwei Männer schwer sind, und sie ertragen auch Hitze und Kälte, Hunger und Durst und werden fast doppelt so alt wie ein Pferd, wenn man Glück hat. Wenn man von Leiana aufbricht, braucht man meistens so knapp zwei Wochen, bis man im Norrland-Brassachischen Garnisonsstützpunkt Markwacht ankommt, der ersten sicheren Herberge jenseits der Wildnis.
Manchmal begehen abenteuerlustige Nordmarker auch das Kallerfeld. Aber das ist auch sehr gefährlich und leider kann man nicht einmal ein Maultier mitnehmen, weil sich die Hufe in den vielen großen und kleinen Geröllbrocken verfangen. Allerdings kommt man auf der anderen Seite nach Calterac oder zum Jolborn, wo die neuen Besitzungen liegen. Sie sind aber eigentlich besser vom Jolborn her zu erreichen. Es wird vermutet, daß eine Gruppe flüchtiger Banditen um einen gewissen Ragner den Starkbärtigen bei Malderpod die Berge nordwestlich durch die Klingenfelder umgangen haben soll. Möglicherweise gibt es einen gangbaren Weg dort, denn einige Wochen später hat Ragner mit seinen Gesetzlosen einen Überfall gemacht, auf dem Kallerfeld. In Malderpod wurden sie aber nicht gesehen, darum glauben wir, daß es vielleicht einen Weg im Nordwesten gibt.
Das Handels-, und Erwerbswesen der Nordmark ist sehr jung und nicht so kompliziert. Die Leute in der Nordmark sind ganz schön fleißig und betreiben allerlei Gewerbstätigeiten:
- Es gibt viel Holzschlag in Yaldering und Leiana. Das Holz wird verbaut oder zu Holzkohle verarbeitet und mit Flößen in den Süden transportiert und verkauft. Die Flöße selber werden auch verkauft und man verdient viel Geld damit weil es besseres Holz ist und man im Süden unglücklicherweise schon recht viel Holz abgeholzt hat.
- Da in Malderpod kuriose Salzquellen zutage treten, kann man diese benutzen, um Salz zu sieden. Wie schon erwähnt wird es in Yaldering gefäßt und in den Süden verkauft. Das Salz muß immer in Yaldering gefäßt und umgeschlagen werden, denn das ist eine der wenigen Vorschriften in der Nordmark.
- Da es viele verschiedene Tiere in den Wäldern gibt, werden sie gejagt und gegessen und man verkauft auch vieles in den Süden, zum Beispiel Pelze, Elchsleder für Thaler Stiefel und Salzfleisch. Alles wird in Yaldering verarbeitet. Zum Beispiel verkauft man aber auch Sehnen und Dinge, die man aus Knochen und Horn machen kann. Damit der Handel gut funktioniert, gibt es dreimal in der Woche einen Jägermarkt. Wenn man Geld hat, kann man da überhaupt auch sonst alles kaufen, vom Waldhonig über frisch gesottene Kernseife bis zum noch lebenden Flußkrebs.
- In den Hochtälern um den Pailat herum hält man viele Ziegen. Sie werden gemolken und gegessen und man verarbeitet das Ziegenleder zu Ziegenlederwaren. Es gibt auch Schafe, aber meistens eher Ziegen, obwohl Schafe eigentlich besser wären, weil man zusätzlich ihre Wolle zu Schafswollwaren verarbeiten könnte.
- In der Vaittaschlucht findet man manchmal Aurazith. Aber es ist nur sehr wenig und man muß es mühsam aus den kalten Gebirgsbächen auswaschen. Das ist leider sehr umständlich.
Meistens nehmen die Flößer die ganzen Waren mit und verkaufen sie im Süden. Manchmal fahren sie bis weit nach Ligonii oder sogar nach Thal. Von dem verdienten Geld kaufen sie verschiedene Dinge, die es nicht gibt in der Nordmark, zum Beispiel Eisenerz zum Schmieden oder lieber fertige Sachen aus Metall oder auch schöne Stoffe und natürlich Tatzelfelser Honigmeth, Jolberger Schädelspalther, Rebenhainer Traubenbluth, Apfelbrandth aus Ligonii, manchmal auch Bethiser Drachenfeuer und Wiffelbeerwein aus Sarnianth und dergleichen. Ich finde übrigens, daß es auch hervorragenden Sumpfkräuterschnaps aus der Nordmark gibt. Leider ist er nicht so beliebt, obwohl er gerade nach üppigen Fleischmahlzeiten sehr bekömmlich ist. Man hat dann nicht so ein Gefühl, daß man sich überfressen hat, und das kann man aber in der Nordmark sehr leicht kriegen, weil das Essen ist meistens recht schwer. Jedenfalls kehren die Flößer nach ihren Reisen schwerbeladen wieder zurück und wenn das Wetter im Sommer schön warm ist, benutzen sie manchmal den Gebirgspaß von Arnach her. Das ist zwar auch beschwerlich und gefährlich, aber dafür nicht so sehr weit und man muß nicht nach Norrland-Brassach. Viele finden das besser, weil die Norrland-Brassacher sich immer über die Nordmarker lustig machen und sie auslachen.
Übrigens gibt es in den Haga keine Steuern. Darum nimmt der Pailat nur in Yaldering Steuern ein, und zwar hauptsächlich Handels- Verkehrs- Gewerbe- und Weingeiststeuern (die werden auf alles erhoben, das einem betrunken machen kann). Da Yaldering eine große Stadt ist und viel Handel, Verkehr, Gewerbe und weingeistpflichtige Festereien hier stattfinden, verdient der Pailat viel Geld damit. Das finden nicht immer alle gut, aber da kann man nichts machen. Irgendwie ist auch alles immer so teuer in der Nordmark, finden viele Leute. Aber wenn man mal kurz nachdenkt, daß wenn man zum Beispiel eine teure Gabel kauft, daß man dann also nicht nur die Gabel bezahlt, sondern auch diejenigen, die die Gabel tagelang über die Berge getragen und dabei Kopf und Kragen riskiert haben und daß sie eigentlich deswegen so teuer ist und nicht weil der Händler ein Wucherer und Halsabschneider ist, dann läßt man das lieber und kauft irgend etwas Vernünftiges und ißt stattdessen einfach mit den Händen. Dann können nämlich auch vernünftige Sachen über die Berge transportiert werden und keine Gabel. Oder man schnitzt die Gabel selber aus schönem, getrocknetem Birkenholz. Damit kann man wunderbar schnitzen. Überhaupt gibt es über die Preise schon deswegen nichts zu schimpfen, weil das Baronat ja auch reich an Naturschätzen ist und man muß eben sehen, daß man gute Geschäfte macht. Dann hat man auch Geld und kann sich etwas leisten auf dem Jägermarkt, ein schönes Stück Bärenfleisch etwa oder ein paar Biberfelle oder meinetwegen eine Gabel. Ja. So ist das. Die Nordmark ist eben kein Land für Faulenzer.